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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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905<br />

den er [der Autor Kern] dabey eingeschlagen hat, ist lang, und beschwerlich durch die<br />

Anstrengungen, die er erfordert; selbst für den, der ihm folgen kann, durch die neue<br />

Terminologie, die er erfunden hat [...], erschwert doch seine durchaus neue Sprache<br />

mehr, als der Verfasser, dem einmahl seine technischen Ausdrücke geläufig sind, vielleicht<br />

glaubt, das Studium seiner Philosophie, und es ist zu besorgen, daß die Meisten,<br />

schon dieser Ursache wegen, früh bey demselben ermatten werden.<br />

Als schlimmsten Fall konnte Kern die Alternative nicht ausschließen, daß eine solche<br />

Art der Darstellung eines neuen philosophischen Systems der erste Schritt zu seinem Untergange<br />

wäre. 2568<br />

Offenbar ist dies Szenario des schlimmsten Falles im WS 1814/15 eingetroffen,<br />

indem er in Einsamkeit auf seinem selbstdefinierten hohen Niveau scheiterte.<br />

Damals kündigte er zum letzten Mal Lehrveranstaltungen an:<br />

� Logik um 11 Uhr.<br />

� Metaphysik um 2 Uhr.<br />

� Begriff der Metagnostik und der Methoden für dieselbe, nebst einer skizzierten<br />

Geschichte beider (der Metagnostik und der metagnostischen Methoden) von Plato<br />

bis jetzt, nach Anleitung einiger alsbald im Druck erscheinender Bogen, in einer<br />

oder zwei Stunden wöchentlich, unentgeltlich .2569<br />

Die beiden ersten Veranstaltungen lagen innerhalb des einförmigen Pflichtenkataloges<br />

der Philosophen im Rahmen eines studium generale, das weitgehend aus den<br />

Standardveranstaltungen mit den lakonischen Titeln Metaphysik, Logik und Ethik<br />

bestand. Kern bot seine ersten beiden Themen zwar in Konkurrenz zum Ordinarius<br />

G. E. Schulze (Aenesidemus) an. Da aber die Mehrfachbesetzung der drei philosophischen<br />

Teildisziplinen üblich war und die Logik zu Kerns Standardankündigungen<br />

zählte, darf man vermuten, dass Kerns Entscheidung, mit dem Ende des<br />

Semesters die Lehrtätigkeit einzustellen, nicht mit seinem Pflichtangebot sondern<br />

mit seiner Kür, der Metagnostik, zusammenhing. Vermutlich fand er bei den Studenten<br />

keine Resonanz für seine unentgeltlich angebotenen philosophischen Anstrengungen<br />

mehrerer Jahre und zog daraus die radikale Konsequenz, seinem<br />

hochgespannten Selbstverständnis weitere Enttäuschungen dieser Art nicht mehr<br />

zuzumuten. Seine düstere Vermutung, daß eine solche Art der Darstellung eines neuen<br />

philosophischen Systems der erste Schritt zu seinem Untergange wäre, hatte sich sogar in der<br />

Weise erfüllt, dass sie den Autor mit sich zog. Eskapismus war die Konsequenz<br />

seiner subjektivistischen Orientierung.<br />

Kern lebte fortan privatisierend in <strong>Göttingen</strong>. Sein Rückzug von der Lehrbühne<br />

war offensichtlich ein genereller Abschied vom wissenschaftlichen Diskurs der<br />

Philosophie. Seine Muße scheint er nicht als philosophischer Schriftsteller genutzt<br />

zu haben, denn der Pütter führt in seinen beiden letzten Bänden keine weitern<br />

Publikationen Kerns an, und die Göttinger Universitätsbibliothek verzeichnet in<br />

ihrem Bestand keine späteren Veröffentlichungen des Philosophen. Vermutlich<br />

2568 GGA 1813, S. 281-288. Hier: S. 287 f.<br />

2569 GGA 1814, S. 1617.

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