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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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898<br />

vorschläge seiner Kollegen mit dem Hinweis auf die Kollaboratoren des Göttinger<br />

Gymnasiums. Neben einer Verpflichtung aller Privatdozenten zum Opponieren<br />

stellte er eine entsprechende Forderung gegenüber allen Magistern der Fakultät<br />

zur Diskussion. Schließlich wies er auf die Möglichkeit hin, jüngere Leute unter<br />

den Philologiestudenten, die z. T. Benefizia bekämen, als Opponenten heranzuziehen.<br />

Vermutlich spielt er damit auf die von Heyne betreuten Studenten des<br />

Seminarium philologicum an.<br />

Die z. T. absurden Alternativvorschläge zur Opponentengewinnung verraten –<br />

gemessen am Statutenmaßstab – ein erschreckendes Qualifikationsdefizit unter<br />

den Graduierten der Philosophischen Fakultät, und sie zeigen angesichts des<br />

Opponentenmangels eine erstaunliche Mischung von Realitätsblindheit und konzeptueller<br />

Hilflosigkeit bei den beschlussfassenden Facultisten. Wenn nicht einmal<br />

die Auslese der Fakultätsassessoren ihrer Aufgabenbeschreibung gerecht wurde,<br />

als Opponenten lateinisch zu disputieren, wie sollte dies bei normalen Privatdozenten<br />

oder gar bei schlichten Magistern gewährleistet sein, um deren wachsenden<br />

Dispensbedarf alle Facultisten aus ihrer alltäglichen Zulassungspraxis wussten.<br />

Opponenten am Gymnasium der Stadt oder in der Theologischen Fakultät zu<br />

suchen, glich fast einer Bankrotterklärung. Geradezu grotesk wirkt der Ausweg,<br />

Philologiestudenten als Opponenten heranzuziehen. Dieser Vorschlag stellte klar,<br />

dass nicht in erster Linie Sachkompetenz in einer Habilitationsdisputation gefragt<br />

war, sondern die kommunikative Kompetenz im Lateinischen das Anforderungsprofil<br />

eines Opponenten ausmachte. Der realistische Vorschlag Tychsens die Forderung<br />

einer lateinisch zu führenden Habilitationsdisputation aufzugeben, fand in<br />

den Protokollen über den Fall Kern kein Echo. Grundlegende Mängel im Graduierungs-<br />

und Rekrutierungssystem für den akademischen Nachwuchs waren kein<br />

Anlass, radikalen Reformüberlegungen näher zu treten. Erst 1831 wird nach einer<br />

fast hundertjährigen Geltung an der Georgia Augusta die lateinische Pro loco-<br />

Disputation durch ein Kolloquium in dieser Sprache ersetzt. Mit wenig qualifizierten<br />

Aushilfen versuchte man fallweise bis dahin strukturelle Defizite auszusitzen.<br />

Bereits am 11. 10. 1805 konnte Dekan Mitscherlich den Facultisten bekannt geben,<br />

dass Kern eine Dissertation abgegeben habe, und er bat seinen Kollegen<br />

Meiners um die Approbation dieses kurz darauf gedruckten Textes:<br />

� Vera trium generum ratiocinationum mediatarum origo. Dissertatio, quam pro<br />

facultate legendi concessu gratiosi ordinis philosophici publice defendet Die 19.<br />

Oct. 1805 Guil. Kernius. Gottingae, Typis J. C. Baier, Acad. Typogr.<br />

[38 S.] 2551<br />

Meiners wand sich liberal um eine klare Stellungnahme herum. Die Dissertation<br />

sei den andern Schriften Kerns ähnlich und eher noch besser als diese. Manches in<br />

dem Text verstehe er nicht, was Kern mit manchen berühmten Männern gemeinsam<br />

habe. Diejenigen externen Beurteiler, welche das Unverständliche in Kerns<br />

Text nicht schön finden würden, könnten dessen Annahme durch die Fakultät<br />

vielleicht als Beweis der Duldung ansehen, indem sie diese dennoch als gültig<br />

2551 UAG: Phil. Dek. 89, Nr. 13.

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