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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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phische Fakultät ihm aber zwei Jahre später noch eine weitere Chance, obgleich<br />

er die Fakultät wiederum durch extravagante Vorstellungen herausforderte. Kern<br />

hatte inzwischen ein auf den 29. 11. 1803 datiertes Magister-Diplom der Universität<br />

Helmstedt erworben. Am 3. 10. 1805 wandte sich Dekan Mitscherlich an seine<br />

Kollegen mit einem Missiv, das er mit der Bemerkung eröffnete: Hr. Kern macht<br />

gegenwärtig den zweyten statutenwidrigen Versuch, sich zu habilitiren. Er habe mündlich<br />

geäußert, dass er die zu haltende disputatio pro loco wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes<br />

in einer schriftlichen Diskussion mit einem von der Fakultät zu bestimmenden<br />

Opponenten führen wolle. Dies war ein völlig neuartiges Verfahren, das nach der<br />

Meinung von Heyne wohl nur durch die Scheu vor einer mündlichen Disputation<br />

zu erklären war. Dekan Mitscherlich versuchte Kern auf den legalen Weg zurückzuführen,<br />

indem er ihn mit den Statuten bekannt machte. Er wies ihn auf die<br />

Rechtslage hin, wonach er wegen seines in Helmstedt erworbenen Diploms zunächst<br />

eine Nostrifikation zu beantragen und darauf über eine Dissertation oder<br />

mindestens über Thesen zu disputieren habe.<br />

Statt der entsprechenden literas petitorias brachte Kern dem Dekan aber ein schriftliches<br />

Gesuch mit seinen unveränderten Vorstellungen. Er merkte an, dass es ihm<br />

unmöglich sei, wegen der Wichtigkeit seiner Sache von seinem Verfahrenskonzept<br />

abzuweichen und weil er auf diese Art die größte Sensation bey den Studierenden machen<br />

würde. inter die Realitätshaltigkeit dieser letzten Annahme darf man angesichts der<br />

weiteren Entwicklung ein Fragezeichen setzen. Die Fakultät war sich völlig einig<br />

in der Ablehnung des Kernschen Gesuchs. Schlözer wies auf die notorische eccentrität<br />

Kerns hin, die unausbleiblich ein Ridicul auf die Facultät würfe. Beckmann schlug vor,<br />

dass Kern nach Helmstedt gehen solle, wo man ihn in Abwesenheit zum Magister<br />

gemacht hatte. Indiskretionen oder auch Schadenfreude nährten den Universitätsklatsch<br />

in der Kleinstadt <strong>Göttingen</strong>. So kam Kern zu Ohren, dass sich in der noch<br />

laufenden Missivrunde eine für ihn negative Entscheidung herauskristallisierte.<br />

Deswegen brachte er noch während des Umlaufs einen weiteren Antrag ein, in<br />

dem er sich gegenüber dem Dekan schriftlich zum legalen Weg einer Nostrifikation<br />

und einer Disputation bereit erklärte. 2547 In einer raschen Abfolge von Missiven<br />

schälte sich in der kontroversen Beratung der Fakultät über Kerns letzten Antrag<br />

die Entscheidung heraus, dass man dessen letztes Gesuch nicht ablehnen könne.<br />

Aber man entschied sich, Kern ohne irgendeine Erleichterung auf die statutenmäßigen<br />

Prästanda zu verpflichten, wobei der schwer verärgerte Tychsen u. a. verlangte,<br />

dass Kern, der bisher nur deutsch publiziert habe, auf die Notwendigkeit<br />

einer lateinischen Disputation hinzuweisen sei.<br />

Mit der Forderung einer statutengerechten disputatio pro loco brachte sich die Fakultät<br />

allerdings in eine schwierige Situation. Nach ihren Statuten hatte sie für eine<br />

disputatio pro loco zwei ihrer Assessoren als Opponenten zu benennen. Die Fakultät<br />

verfügte aber mit Magister Karl Reinhard nur über einen Assessor, der sich bisher<br />

in seiner langen Dienstzeit als Privatdozent allen Forderungen dieser Art entzogen<br />

hatte. Wie sein früherer Lehrer und Freund Bürger wandte er sich vor allem der<br />

2547 Anträge vom 3. 10. 1805 bzw. 4. 10. 1805 (UAG: Phil. Dek. 89, Nr. 11 und 12).

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