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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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895<br />

Gericht drohte Kern mit der Entfernung von der Universität, wenn er noch einmal<br />

respektlos die Fakultät in der bisherigen Weise behellige. 2543<br />

Der von Kern tadelnd herangezogene Vergleichsfall eines netten Papageien meint<br />

wahrscheinlich den Fall des Konrektors Christoph Heinrich Albers aus Münden,<br />

der bei der Philosophischen Fakultät die Promotion in Abwesenheit beantragt<br />

hatte, und dabei auf zwei frühere Arbeiten hinwies: eine commentatio und eine<br />

Preispredigt. Als Dekan Eichhorn in seinem Umlauf vom 25. 3. 1803 die Vergabe<br />

der Doktorwürde an Albers befürwortete, folgte die Fakultät ohne Widerspruch,<br />

denn als Inhaber eines öffentlichen Amtes entsprach Konrektor Albers den Bedingungen<br />

der Statuten für die Vorzugsbehandlung einer Promotion in absentia<br />

ohne Examen. 2544 Diese Entscheidung lag auf einer Traditionslinie der Philosophischen<br />

Fakultät. Bei Göttinger Gymnasiallehrern, die nicht selten ebenfalls<br />

entsprechende Anträge stellten, war in der Regel die fällige Promotion sogar mit<br />

der Erlaubnis zu lesen verbunden. So z. B. bei Konrektor Georg Christian Raff, der<br />

1780 dem Beispiel seines Göttinger Gymnasialkollegen Johann Andreas Suchfort<br />

gefolgt war. Unter Hinweis auf seine vierjährige Tätigkeit als Konrektor und seine<br />

geographischen und naturhistorischen Veröffentlichungen stellte Raff bei der<br />

Philosophischen Fakultät den Antrag, si fieri potest, sine examine et disputatione ihm<br />

die Magisterwürde zu verleihen. Auf Antrag des Dekans Beckmann entsprach<br />

damals die Fakultät diesem Wunsch. Sie promovierte Raff am 20. 1. 1780, und die<br />

Fakultät verteilte am gleichen Tag die leicht erworbenen Promotionsgelder. 2545<br />

Absentia-Promotionen wurden auch bei früheren Göttinger Studenten durchgeführt,<br />

die in Russland als Lehrer tätig waren, und sogar ein Kollaborator am<br />

Gymnasium zu Harburg stellte einen entsprechenden Antrag. 2546<br />

Kerns von Arroganz getragene Kritik an den Absentia-Promotionen der Fakultät<br />

war daher nicht ganz unberechtigt. Für den Verdacht ungleicher Behandlung der<br />

Doktoranden boten sich Ansatzpunkte in den eben genannten Fällen: man konnte<br />

als ehemaliger Student der Georgia Augusta in der aufgezeigten Weise leicht Examen<br />

und Disputation umgehen, indem man ohne Prüfung die Universität verließ<br />

und nach einigen Lehrerjahren in der Praxis sein Antragsglück für eine Doktorwürde<br />

– unter Hinweis auf ein öffentliches Amt – mit einer Absentia-Promotion<br />

versuchte, für die man ein handschriftliches oder gedrucktes Specimen anlegte.<br />

Die Reinheit der Wissenschaft von ökonomischen Interessen zu betonen, lag für<br />

einen rigorosen Moralisten wie Kern nahe, denn nach der Fakultätspraxis wurden<br />

dem Kandidaten bei Absentia-Promotionen Examen und Disputation zwar erlassen,<br />

die Gebühren für diese Akte aber kassierten die Facultisten in voller Höhe.<br />

Mit dem Verweis und der Strafandrohung durch den Prorektor war Kerns zweiter<br />

Promotionsversuch gescheitert. Auf einen erneuten Antrag hin, gab die Philoso-<br />

2543 Zur weiteren Entwicklung vgl. Kapitel 31. 1.<br />

2544 UAG: Phil. Dek. 86, Nr. 19.<br />

2545 UAG: Phil. Dek. 63, Nr. 4 und 6. – Zur 1776 vorangegangenen Promotion von Suchfort, der<br />

ebenfalls als Privatdozent tätig war, vgl. UAG: Phil. Dek. 59, Nr. 14.<br />

2546 Zu den Promotionen in absentia vgl. Beer (wie Anm. 139), S. 26 f. – Vgl. ferner oben Seite 121.

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