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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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893<br />

vielleicht nur andeuten soll, in welche Richtung Kerns Philosophieren ging. 2537 Ob<br />

Kern in Jena studiert hat, wo am Jahrhundertanfang der Privatdozent Hegel und<br />

der ao. Professor Schelling eine kurze Zeit gemeinsam lehrten, habe ich nicht<br />

klären können. In Kerns Helmstedter Doktor-Diplom vom 29. 1. 1803 wird angeführt,<br />

dass er Mitglied der Mineralogischen Gesellschaft in Jena war. 2538<br />

Kern kam sich wohl genialisch vor, als er Anfang Juli 1802 nur schriftlich und in<br />

deutscher Sprache beantragte, ihm den Doktortitel aufgrund eines eingereichten<br />

Manuskriptes und zwar ohne Examen und gratis aber mit allen doktoralen Vorrechten<br />

– also wohl auch der Lehre – zu verleihen. Vielleicht war Kern nicht bekannt,<br />

dass ein entsprechender schriftlicher Antrag in lateinischer Sprache, die<br />

sog. literas petitorias, dem Dekan persönlich zu übergeben war, und dass man die in<br />

den Statuten genannten Prästanda zu prästieren hatte. Wahrscheinlicher ist, dass<br />

er meinte, sich über derartige Quisquilien hinwegsetzen zu dürfen. Ich habe bisher<br />

keinen Vergleichsfall selbstgerechter Ignoranz eines Privatdozenten gegenüber<br />

den geltenden Promotions- und Habilitationsregelungen feststellen können. Das<br />

Antwortschreiben des Dekans vom 3. 7. 1802 ist zwar von Hochachtung bestimmt,<br />

aber es ist auch mit seinen ironischen Untertönen zu lesen:<br />

Auf die Anfrage des Herrn Studiosus Kern,<br />

ob ihm nicht auf die eingereichte Schrift, worin die darinn aufgestellte neue Wissenschaft<br />

nach vorausgegangener Prüfung bestehend befunden werde, die philosophische<br />

Doctorwürde ohne alles Examen, ohne alle Kosten mit allen doctoralischen Vorrechten<br />

ertheilt werden könne?<br />

erwidert die philosophische Facultät, daß es ihr zum großen Vergnügen gereicht, an<br />

dem Herrn Verfasser der ihr überreichten Schrift einen Studirenden kennen zu lernen,<br />

der sich auszuzeichnen sucht, und bezeugt ihm deshalb ihre Achtung. Dabey aber bedauert<br />

sie, daß ihre Statuten ihr verbieten, dem Gesuch desselben zu deferiren, indem<br />

sie ihr ausdrücklich vorschreiben, keinem, der nicht bereits in einem angesehenen öffentlichen<br />

Amte steht, ohne Examen und öffentliche Disputation die philosophische Doctorwürde<br />

zu ertheilen. 2539<br />

Das selbstbewusst-trotzige Verhalten Kerns hängt vermutlich mit seiner Außenseiterrolle<br />

unter den Göttinger Philosophen zusammen. Sein Promotionsantrag<br />

war jedenfalls für Dekan Eichhorn der erste Versuch der Speculation während seines<br />

Dekanats in <strong>Göttingen</strong> Fuß zu fassen. Ihm folgte – so Eichhorns Wahrnehmung<br />

– mit dem unmittelbar darauf folgenden Promotions- und Venia-Antrag<br />

von Herbart ein zweiter Versuch dieser in <strong>Göttingen</strong> fast verpönten Denkweise,<br />

deren Spuren auch im Fall Herbart eindeutig nach Jena führten, wo dieser dem<br />

engeren Schülerkreis Fichtes angehört hatte. 2540<br />

2537 Asmus (wie Anm. 205), S. 202.<br />

2538 UAG: Phil. Dek. 89, Nr. 14.<br />

2539 UAG: Phil. Dek. 86, Nr. 6.- Das Schreiben Kerns als Nr. 87.<br />

2540 Vgl. oben Seite 86.

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