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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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fehlte. Zu seiner im SS 1815 angekündigten Homer-Vorlesung, in der er in vier<br />

Semesterwochenstunden um drei Uhr die Ilias erklären wollte, erschienen gerade<br />

zehn Zuhörer. 2508 Nach Bouterwek fanden in den späteren Semestern Schulzes<br />

öffentliche Vorlesungen über antike Autoren wenig Beifall, da ihm das Talent des<br />

freien Vortrages fehlte – ein auffallendes Defizit. Um so mehr war er zu dieser<br />

Zeit als Privatlehrer der griechischen und lateinischen Sprache gefragt. 2509 Positive<br />

Rückmeldungen in der Rolle als wissenschaftlicher Schriftsteller fehlten ihm ganz,<br />

da er in seinem Fach keine Gelehrsamkeit zu Papier brachte und als Poet im wesentlichen<br />

nur für sein Opus postumus schrieb. 2510<br />

Schulzes Rollenkonflikt zwischen Wissenschaft und Poesie, erhielt seine spezifische<br />

Zuspitzung durch die fachliche Differenz zwischen den Inhaltsbereichen<br />

seiner wissenschaftlichen Reflexion und seiner poetischen Produktion. Er hängt<br />

mit dem damaligen Stand der Wissenschaftsentwicklung im Bereich der Philologien<br />

und dem Zuschnitt des Studiums an der Georgia Augusta zusammen. Die<br />

Reflexion über Sprache und Literatur war immer noch weitgehend bei der Altphilologie<br />

angesiedelt. Mit Schulzes Lehrer Heyne stellte die Klassische Philologie<br />

den Professor der Eloquenz und Poesie (professor eloquentiae et poéseos). Bei feierlichen<br />

Anlässen im Leben der Georgia Augusta fiel ihm das Wort für die lateinisch<br />

zu haltenden offiziellen Ansprachen zu, oder er fungierte im Hintergrund als Redenschreiber<br />

für den Prorektor. Sprach- und literaturästhetische Normen wurden<br />

weitgehend immer noch am klassischen Kanon festgemacht. Im Disziplinengefüge<br />

der Georgia Augusta mussten die Muttersprache und die modernen Fremdsprachen<br />

ihre wissenschaftliche Dignität und ihre Institutionalisierung erst noch<br />

erstreiten.<br />

Bereits der Privatdozent Bürger hatte erfahren müssen, wie schwierig es am Musensitz<br />

<strong>Göttingen</strong> war, als muttersprachlicher Poet im herkömmlichen Disziplinengefüge<br />

der Georgia Augusta sich eine wissenschaftlich anerkannte und ausbaufähige<br />

Position zu sichern. Bürger war so flexibel gewesen, mit einem fachlich differenzierten<br />

Lehrangebot Überschneidungsbereiche zwischen seinen eigenen und<br />

denkbaren Interessen der Studenten aufzuspüren. Er las z. B. über die Philosophie<br />

Kants und über generelle Probleme der Literaturästhetik wie z. B. über die Philosophie<br />

des gesammten Stils im SS 1785. Er erteilte z. B. ungarischen Studenten<br />

Deutschunterricht und korrigierte ihre Aufsätze. 2511 Schulze Lehrangebot hingegen<br />

zeigt, dass er strikt auf einer Angebotslinie blieb, die für die Karriere eines altsprachlichen<br />

Philologen angemessen war, die aber weder seinem poetischen Tätigkeitsfeld<br />

noch realistischeren Berufsperspektiven entsprach.<br />

Zudem hatte Schulze sich in einem gut besetzten fachwissenschaftlichen Umfeld<br />

zu behaupten. In der Klassischen Philologie waren nach der Berufung Friedrich<br />

2508 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 264. – GGA 1815, S. 439.<br />

2509 Bouterwek: Biographische Vorrede (wie Anm. 2418), S. XV.<br />

2510 In der Zeitung für die elegante Welt veröffentlichte Schulze 1811, 1812 und 1814 nur einzelne Gedichte<br />

[vgl. Müller: Bibliographie (wie Anm. 2416), S. 89 f.].<br />

2511 Vgl. Futaky (wie Anm. 76), S. 62-64.

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