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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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kaum glauben, wie gefährlich eine ewige Beschäftigung mit trockenen, oft geistlosen Studien<br />

ist. 2505 Eine derartig tiefgehende Entfremdung gegenüber der Wissenschaft am<br />

Ende des ersten Semesters als Dozent versprach für die Zukunft wenig Gutes.<br />

Über eine ambivalente Einstellung zu seiner Rolle als Wissenschaftler ist Schulze<br />

während seiner wenigen Jahre als Dozent an der Georgia Augusta nicht hinausgekommen.<br />

Am Anfang des folgenden WS 1812/13 versuchte Schulze entsagungsvoll<br />

sich auf seine Rolle als Gelehrter einzuschwören. Am 12. 10. 1812 notierte er:<br />

Ich bin häuslicher geworden als eine Auster. War ich doch wahrhaftig schon einmal auf<br />

dem Punkte ein Landstreicher sans peur et sans reproche zu werden, ehe mich die<br />

heilige Philologie in ihre köchernen Arme nahm. Jetzt habe ich ausgetobt. Eine Professur<br />

in <strong>Göttingen</strong> und ein Auditorium voller Zuhörer ist das alltägliche Product, das<br />

ich jetzt aus allen jenen goldenen Träumen hervorrechnen möchte. Keine Romane mehr,<br />

keine Abenteuer, keine Irrfahrt durch das Reich der wechselnden Erscheinungen; Alles<br />

was man sonst vielleicht originell an mir nennen konnte, hat Mütterchen Vernunft unter<br />

die Zuchtruthe genommen und ich werde von ihr so steif und so ehrbar auf der breiten<br />

Hauptstraße hingegängelt, daß kein Mensch glauben sollte, ich hätte Gefallen daran<br />

gefunden, waldein zu gehen. 2506<br />

Aber als er nach 14 Tagen seine Abschiedserklärung an ein un-vernünftiges Leben<br />

des Waldein-Gehens erneut überlas, widerrief er sie: Nein, zum stillen häuslichen<br />

Leben bin ich nun einmal nicht geschaffen. In einem solchen Leben breche man zwar<br />

selten den Hals, aber man trägt eben keine schöne Erinnerung davon. Allenfalls an der<br />

Seite Cäciliens mit ihrer unerschöpflichen Phantasie konnte er sich ein Leben als<br />

Gelehrter noch erträglich vorstellen, aber ohne die Verstorbene war diese Berufentscheidung<br />

ja ebenso gut als würde ich zum Karrenschieben auf Lebenszeit verdammt. Auf<br />

das ihn umgebende Gesindel der wissenschaftlichen Literatur blickend, sperrte er<br />

sich einerseits dagegen mit ihnen eine zeitlich begrenzte Freundschaft für ein halbes<br />

Jahr zu schließen, andererseits hing er dann zeitweise wieder der Hoffnung<br />

nach, ein besseres Verhältnis zu seiner beruflichen Tätigkeit als Wissenschaftler<br />

finden zu können:<br />

Doch muß ich mir selbst zum Troste gestehen, daß ich nicht immer auf diese Weise von<br />

meiner Wissenschaft denke. Ich erinnere mich, daß es Zeiten gegeben hat, worin ich wie<br />

ein verliebter Schäfer tagelang einer einzigen Conjectur nachgeschlichen bin und sie mit<br />

himmlischer Zufriedenheit durch die Sandwüste mächtiger Folianten verfolgt habe.<br />

Wenn ich dann endlich das εΰρηκα ! rufen konnte, so war ich so selig wie ein König.<br />

Solche Zeiten werden ja auch wol wiederkommen. 2507<br />

Bei Schulzes gebrochenem Verhältnis zur Wissenschaft ist es nicht verwunderlich,<br />

dass die positive Resonanz seiner studentischen Hörer ausblieb, womit ihm in<br />

seiner Wissenschaftlerrolle die motivierende Rückkoppelung aus der Lehrpraxis<br />

2505 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 127.<br />

2506 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 132.<br />

2507 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 132-135.

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