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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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gefolgt, und dies hat grundlegend seine Einstellung zur Wissenschaft als Beruf<br />

bestimmt. Dabei blieb Schulze kaum eine andere Erwerbsmöglichkeit. Von seinen<br />

Honoraren als Poet und Schriftsteller leben zu wollen, war risikoreich. Von seltenen<br />

Nischenberufen abgesehen, war er aufgrund seiner Universitätsausbildung nur<br />

für eine Lehrtätigkeit an der Lateinschule, einem Gymnasium oder an einer Universität<br />

qualifiziert. 2500 Durch den Erwerb der Venia Ende März 1812 hatte Schulze<br />

die Absicht bekundet, sich für eine Berufung in der Klassischen Philologie zu<br />

qualifizieren. Den Abstieg in die Schule zog er nur kurzfristig in Betracht, indem<br />

er sich 1815 angesichts der schwindenden Aussichten auf eine Göttinger Professur<br />

sich um eine Kollobaratur in Holzminden bewarb. Als er durch einen Boten –<br />

express – die Zusage erhielt, gab er diesem aber prompt seine Absage mit. 2501<br />

Sein problematisches Verhältnis gegenüber der Wissenschaft als Beruf verrät bereits<br />

seine Einstellung zum Gesellenstück seiner Habilitationsdissertation, zu der<br />

er ein gebrochenes Verhältnis besaß. Er habe es übernommen, eine schlechte Sache<br />

darin zu vertheidigen und Ich muß deshalb allen Scharfsinn, soviel mir davon zutheil geworden<br />

ist, aufbieten, um den Leuten einen blauen Dunst vorzumachen. Er fand es lachhaft, wenn<br />

ich mit ich mit einem gewaltigen Pathos Etwas behaupte, dessen ich mich selbst nie überreden<br />

kann. 2502 Schulze stand an der Schwelle seines ersten Lehr-Semesters offenbar mit<br />

dem Gefühl, manipulierend beim Erwerb seiner Lehrberechtigung nachgeholfen<br />

zu haben. Wie Werther wurde Schulze die theoretisch-wissenschaftliche Beschäftigung<br />

(auch) ein Greuel, und wie dieser meinte er, mit der Natur und der Dichtung<br />

bei sich selbst zu sein.<br />

Während seines ersten Lehr-Semesters im Sommer 1812 musste Schulze registrieren,<br />

dass seiner jungen Liebe durch das Siechtum von Cäcilie ein entsagungsvolles<br />

Ende gesetzt war. Meine Studien leiden unter meiner Liebe, ich kann nichts thun als dichten<br />

und träumen, notierte Schulze am 28. 8. 1812, und abwertend rechtfertigt er am<br />

Ende seines ersten Semesters sein geringes Engagement als Dozent: aber die Wissenschaft<br />

ist ja nur ein Bastard des Menschen, das Gefühl sein freundlichstes Kind, das eine<br />

liebevollere Pflege fordert 2503 Wenig Enthusiasmus verrät Schulzes Bemerkung über<br />

sein Metrik-Kolleg während dieses ersten Semesters. Am 24. 7. 1812 spricht er<br />

davon, dass er auf dem Katheder stand und meinen Zuhörern den „Prometheus“ und die<br />

Metrik vielleicht ebenso langweilig machte als sie mir war. 2504 Am Ende dieses Semesters<br />

schreibt er: Meine einzige Freude ist, daß ich meine Collegia geschlossen habe und mich also<br />

aus dem Sumpfe der Gelehrsamkeit etwas in schönere Gegenden erheben kann. Du kannst<br />

2500 Vom Kuratorium wurde Schulze eine Stelle als Kollaborator an der Schule zu Holzminden<br />

angeboten, die er aber ablehnte. Pläne des Verlegers Justus Friedrich Danckwerts, Schulze mit der<br />

Redaktion eines Almanachs zu betrauen, zerschlugen sich [Marggraff (wie Anm. 2418), S. 263 f.].<br />

2501 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 263. – Zu Schulzes vergeblicher Bewerbung um die frei gewordene<br />

Stelle des Lehrers und Privatdozenten G. H. Lünemann [Nr. 26] am Göttinger Gymnasium im<br />

Jahr 1813 vgl. Kapitel 21. 5. Sie ging an Schulzes Kollegen Mahn [Nr. 29].<br />

2502 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 81 f.<br />

2503 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 139.<br />

2504 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 209.

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