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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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875<br />

sich in diesem einzigen Verhältnis, schreibt Schulze gegen Ende seines ersten Lehr-<br />

Semesters am 23. 8. 1812 – der Modellfall einer romantischen Liebe. 2467 Angesichts<br />

der unheilbaren Schwindsucht von Cäcilie musste er bald feststellen, dass die erste<br />

große Liebe seines Lebens sich nicht erfüllen würde. Sie darf weder malen, noch spielen,<br />

noch sticken; alle Gesellschaft wird von ihr entfernt gehalten. Ich bin der Einzige dem der Zutritt<br />

erlaubt ist. 2468 Cäcilie starb am 3. Dezember 1812 im Alter von 18 Jahren. Schulzes<br />

Beziehung zu ihr hatte knapp ein Jahr gedauert: Liebe – Entsagung – Tod. Die<br />

elementare Wucht dieser Ereignisse durchbrach Schulzes Gefüge der Charaktermasken,<br />

hinter denen er sich vor andern und auch vor sich selbst verborgen hatte.<br />

In einem Brief, der etwa acht Tage nach Cäciliens Tod geschrieben wurde, beschreibt<br />

er jene Wende, die ihr Sterben in seinem Leben herbeiführte:<br />

Aber in Cäcilien fand ich mich selbst, doch viel reiner, viel keuscher, viel schöner und<br />

herrlicher. Sie war Das, was ich vielleicht werden könnte, wenn es eine Unsterblichkeit<br />

gäbe, und wovon ich jetzt nur der Schatten bin. 2469<br />

Am Tag nach Cäciliens Tod notierte Schulze in sein Tagebuch: Man hat Gyps über<br />

ihr Gesicht gegossen, um eine Büste von ihr zu erhalten, da man kein Gemälde von ihr besitzt.<br />

Die Totenmaske befindet sich heute in der <strong>SUB</strong> <strong>Göttingen</strong>. 2470<br />

Seine Gefühle angesichts des Grabes auf dem Bartholomäusfriedhof hat Schulze<br />

mit einem Poetischen Tagebuchblatt vom 6. December 1812 festgehalten 2471<br />

2467 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 126.<br />

Des Kirchhofs Pforte sah ich offen.<br />

Der Totengräber grub ein Grab,<br />

Und all mein Sehnen, all mein Hoffen<br />

Sank in die finstre Gruft hinab.<br />

Ich sah den Leichenkranz verschwinden,<br />

Die Erde rollte d´rüber her,<br />

Tot war mein Geist, mein Busen schwer,<br />

Und keine Träne konnt` ich finden.<br />

Noch einen kalten starren Blick<br />

Warf ich auf´s frische Grab zurück,<br />

Und heimwärts wankt` ich dumpf und trübe.<br />

O lebe wohl mein süßes Glück!<br />

2468 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 126 f. – Zu den Behandlungsformen der Tuberkulose in den<br />

Göttinger Kliniken der Zeit vgl. Kumsteller (wie Anm. 1080), S. 64 f.<br />

2469 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 162.<br />

2470 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 158. – <strong>SUB</strong> <strong>Göttingen</strong>: Totenmaske Cäcilie Tychsen. – Der<br />

Maske liegt die folgende Beschriftung bei: Totenmaske der Braut E. Schulze´s Cäcilie Tychsen. Wegen der<br />

nicht zutreffenden Behauptung über den Brautstatus entstammt sie vermutlich einer späteren Zeit. –<br />

Die Herkunft der Maske ist ungeklärt [Arndt, Karl (Hg.): Katalog der Bildnisse im Besitz der Georg-<br />

August-Universität <strong>Göttingen</strong>. <strong>Göttingen</strong> 1994, S. 173 f.].<br />

2471 Daws-Tychsen (wie Anm. 2053), S. 93.

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