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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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866<br />

sen noch nach den Grazien, sondern nach dem Schlaf und der Gedankenlosigkeit sehne,<br />

wirst du natürlich finden. 2436<br />

Aber er vergaß auch in dieser Zeit seine Liebhabereien nicht, wie ein Brief vom<br />

22. 1. 1810 an seinen Freund Bergmann zeigt. Er sei nach seiner Art faul und fleißig,<br />

indem er<br />

alle Sonntage tanze, alle Wochen zwei mal in verschiedene Thees gehe, die griechische<br />

Grammatik mit vielem Widerwillen und vieler Gründlichkeit studire, alle Abende eine<br />

französische Komödie statt des Schnupftabacks zur Aufheiterung der Geisteskräfte lese<br />

und an der lateinischen Literaturgeschichte, an dem romantischen Heldengedicht, an<br />

einem orientalischen Heldengedicht, an einer poetischen Reise nach dem Brocken, an<br />

einer Comédie larmoryante von zwei Personen und an einer Sammlung von Elegien<br />

für die W… arbeite. Alle diese Beschäftigungen sind freilich etwas heterogen, laufen<br />

aber nebeneinander recht gut fort und ersetzen mir die karge Nahrung des Leibes, welcher<br />

sich täglich mit etwas Brot und Milch begnügen muß, vortrefflich. 2437<br />

Abseits der im Curriculum vitae vorgeführten offiziellen Studienbiographie mit ihrer<br />

Orientierung an den Koryphäen der Georgia Augusta hatte Schulze sich vor allem<br />

dem Philosophen Bouterwek und dessen literaturgeschichtlichen und ästhetischen<br />

Forschungen angeschlossen. Bouterwek wird wie Feder, Buhle und Meiners zu<br />

den Göttinger Popularphilosophen gerechnet, die als vielseitige und viel schreibende<br />

Autoren der Weltweisheit von der nicht unbedingt zuständigen Philosophiegeschichtsschreibung<br />

etwas geringschätzig behandelt werden, denn die Philosophie<br />

war erst auf dem Weg, sich zum Fach zu entwickeln. 2438 Bouterwek, der als<br />

Literat nach Begabung, Einstellung und Werdegang seinem Schützling Schulze<br />

ähnelte, wurde in einem Praktikum, das den schriftlichen Stil der Teilnehmer bilden<br />

sollte, auf Schulze aufmerksam. Der junge Student legte Bouterwek Ausarbeitungen<br />

vor, in denen Gefühl und Phantasie so zart und so correct sich ausdrückten, wie es sich<br />

von einem jungen Manne von achtzehn Jahren kaum erwarten ließ. 2439 Nach einem öffentlichen<br />

Lob seines Lehrers brachte Schulze diesem vertrauensvoll seine ersten Sonette,<br />

Episteln und Elegien, die nach Bouterweks Einschätzung im Ganzen unbezweifelbare<br />

Beweise von wahrem Dichtertalent zeigten 2440 Bouterweks Versuche, Schulze<br />

für die Logik und die Philosophie zu gewinnen, blieben erfolglos. Nachdem er die<br />

2436 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 38. – Dieser undatierte Brief muss vor dem 19. 11. 1811 abgefasst<br />

worden sein, da Schulze noch von der Arbeit an mehr als einer Dissertation spricht. An diesem Tage<br />

wurde er vom Dekan angewiesen, die bereits fertig gestellte und im Druck vorliegende Disquisitio, die<br />

als Dissertation für seine Magisterpromotion gedacht war, nicht zu verbreiten.<br />

2437 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 23 f.<br />

2438 Zu Friedrich Bouterwek, der sich auch als Literat betätigte, vgl. Ebel: Catalogus (wie Anm. 19),<br />

S. 106, Nr. 53. – Vgl. besonders Struck, Gustav: Friedrich Bouterwek. Sein Leben, seine Schriften<br />

und seine philosophischen Lehren. (Gekrönte Preisschrift). Phil. Diss. Rostock. Rostock 1919.<br />

2439 Bouterwek: Biographische Vorrede (wie Anm. 2418), S. V.<br />

2440 Bouterwek: Biographische Vorrede (wie Anm. 2418), S. V.

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