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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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Petrarca bis in die Moderne, sowie mit der griechischen Poesie. Ferner zählt er in<br />

seinem Lebenslauf lateinische Klassiker als Gegenstand seiner ausgedehnten Lektüre<br />

auf: Horaz, Virgil, Tacitus, Vellejus, Catull und Cicero.<br />

In seinem langen Studium von fünf Jahren war Schulze nicht immer ein fleißiger<br />

Student, wie er 1810 einem Freund gestehen musste: Was meine eigentliche Lage anbetrifft,<br />

so lebe ich hier freilich immer noch unter dem Namen eines Studenten, ohne jedoch seit<br />

zwei Jahren Collegien gehört zu haben. 2433 Der stete Besuch der Vorlesungen war nicht<br />

seine starke Seite, er studierte weitgehend selbstbestimmt. In einem undatierten<br />

Brief, den er während seiner Vorbereitung auf die Magisterprüfung im Jahre 1811<br />

schrieb, blickt er mit Wehmut und Selbstkritik auf die unbeschwerteren Jahre<br />

seines frühen Studierens zurück:<br />

Ach es war eine schöne Zeit, wo ich noch ganz meiner Phantasie lebte, aber ich lernte<br />

nichts dabei und verlor das utile dulci gar zu sehr aus den Augen. 2434<br />

In den einleitenden Passagen dieses Briefes hat Schulze seine Wende zum altphilologischen<br />

Brotstudium beschrieben. Mit Verweis auf den nunmehr zu beackernden<br />

Pflichtenkanon der klassischen Autoren bedauert er seinen Orientierungszwiespalt<br />

zwischen Pflicht und Neigung, und er beklagt die Entfremdung von<br />

seinem Selbstverständnis als Poet:<br />

Alles, was ich jetzt lese und seit einigen Jahren gelesen habe, ist von dieser Art, und es<br />

ist mir unbegreiflich, wie ich in diesem Zeitraum noch einige erträgliche Gedichte in<br />

deutscher Sprache habe machen können, da mir die Ohren von griechischen und lateinischen<br />

Wörtern sumsen. Kannst du es glauben, daß man hier hofft noch einen ganz passablen<br />

Philologen aus mir zu machen; einen Grammatiker aus einem Dichter, ist das<br />

nicht Eis aus Sonnenstrahlen und doch fange ich an, es selbst zu glauben. 2435<br />

Diese Passage lässt vermuten, dass Schulzes Wahl einer akademischen Karriere<br />

stark unter Einwirkung Dritter zustande kam. Wer das ziemlich brotlose Philologiestudium<br />

wählte, hatte nicht viele Wahlmöglichkeiten. Wie intensiv Schulze sich<br />

nach dieser Laufbahnentscheidung mit den klassischen Autoren beschäftigte, zeigt<br />

seine Schilderung eines Arbeitstages in der Schlussphase seines Studiums:<br />

Des Morgens um halb sechs Uhr stehe ich auf und setze mich an meine Dissertationen<br />

[...] Von acht bis zwölf Uhr wird der Homer mit der subtilsten grammatischen Genauigkeit<br />

gelesen, von eins bis vier Uhr zur Verdauung etwa der Horaz, Virgil oder<br />

Tacitus . Von vier bis acht Uhr beschäftigt mich Aristoteles und Lucian, und von<br />

neun bis zwölf Uhr abermals Homer. Daß ich mich um elf Uhr weder nach den Mu-<br />

2433 Müller: Vertonungen (wie Anm. 2413), S. 114.<br />

2434 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 39.<br />

2435 Marggraff (wie Anm. 2418), S. 37 f.

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