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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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30. 2. 1. Petitionen markieren den Weg in die Armut<br />

1821 beginnt in Schraders Personalakte eine Serie von Bittgesuchen um finanzielle<br />

Unterstützung, die bis zu seinem Todesjahr 1842 reicht, wobei seine sich verschlechternde<br />

Situation ihn in manchen Jahren zu mehreren Anträgen veranlasste.<br />

Seine Notlage und die unerschütterliche Überzeugung, sich durch seine jahrzehntelange<br />

Tätigkeit im Dienste des Staates als Militär und Privatdozent den Anspruch<br />

auf eine Unterstützung redlich verdient zu haben, sind die treibenden Motive<br />

hinter der Fülle der Anträge, in der keine Instanz ausgelassen wurde, von der<br />

Schrader sich meinte Hilfe versprechen zu können. Als er in den letzten Lebensjahren<br />

weitgehend taub und blind, sowie teilweise gelähmt nicht mehr selber als<br />

Bittsteller schriftlich agieren konnte, traten seine Frau und die drei Töchter als<br />

beredte Fürsprecherinnen auf. Schraders Personalakte ist daher durch die Fülle<br />

der Petitionen aus seinen beiden letzten Jahrzehnten sehr umfangreich, während<br />

für die Mehrzahl der hier untersuchten 32 Privatdozenten eine Fehlanzeige zu<br />

machen ist: das Kuratorium sah im Normalfall keinen Anlass, für die privatim<br />

Lehrenden eine auf die Person bezogene Akte anzulegen. Diese besondere Quellenlage<br />

wird im folgenden genutzt, um exemplarisch den alters- und krankheitsbedingten<br />

Abstieg eines lebenslangen Privatdozenten ohne Zweitberuf nachzuzeichnen.<br />

Schrader steht hier mit der Vielzahl seiner Anträge als beredter Anwalt stellvertretend<br />

für die stille Not manch anderer Kollegen, die – anders als er – entmutigt<br />

auf dem Antragswege resignierten und/oder sich verschämt in ihre Armut<br />

zurückzogen.<br />

In einem Punkte unterscheidet sich Schraders Antragslage von der seiner Kollegen:<br />

er hatte etwa vom 16. bis zum 37. Lebensjahr im vormaligen 6. Kavallerieregiment<br />

dem Lande gedient. Indem er die Georgia Augusta als Landeseinrichtung<br />

sah, addierte er gleichsam seine Dienstzeiten als Offizier und Privatdozent und<br />

meinte daraus eine besondere Verpflichtung seines staatlichen Dienstherrn ableiten<br />

zu können. Aber keine Dienststelle war bereit, sich auf diese Argumentation<br />

einzulassen. Privatdozenten waren nach amtlicher Auffassung per definitionem keine<br />

Staatsbediensteten, und der Staat war daher weder zu ihrer Besoldung noch zu<br />

ihrer Unterstützung in Notfällen verpflichtet. Da Schrader seine militärische<br />

Laufbahn freiwillig aufgegeben hatte, sah der Staat sich auch hier nicht in der<br />

Pflicht. Falls Schrader als Präzedenzfall auf frühere besoldete Privatdozenten der<br />

praktischen Mathematik hinwies, machte ihn die Landesregierung auf einen entscheidenden<br />

Unterschied aufmerksam: das Kuratorium hatte die besoldeten Vorgänger<br />

seinerzeit z. B. als Baukommissare an die Universität abgeordnet. Nach der<br />

Bewertung der Verwaltung konnte Schrader sich nicht mit ihnen vergleichen, weil<br />

er aus eigener Entscheidung seine militärische Laufbahn verlassen und ein Studium<br />

in <strong>Göttingen</strong> aufgenommen hatte.<br />

Die Kette der fortlaufenden Unterstützungsanträge in Schraders letzten beiden<br />

Lebensjahrzehnten wurde offenbar durch eine 18-wöchige Krankheit im Jahre<br />

1821 ausgelöst. Als Folge seiner Podagra in den Füßen befürchtete Schrader von<br />

nun an eine dauerhafte Einschränkung seiner Beweglichkeit. Da viele Studenten in<br />

seinen Lehrveranstaltungen ausblieben, befielen ihn Zukunftsängste – auch wegen

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