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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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480<br />

Volksgeist und einer organischen Staatsauffassung – zu befreien galt. Während<br />

Rehbergs Argumentation mit ihren Ausfällen gegen republikanische Tendenzen<br />

letzten Endes politisch motiviert war, plädierte Brinkmann auch für eine stärker<br />

juristische Bewertung der französischen Gesetzgebung. Die rechtshistorische<br />

Würdigung unserer Tage steht auf seiner Seite. Nach F. Wieacker bilden der Code<br />

Napoléon und die flankierende Gesetzgebung ein einzigartiges Gesetzgebungswerk, auf<br />

dem, nächst dem Corpus Iuris und dem Vernunftrecht, ein großer Teil der heutigen Justizkultur<br />

der Erde, auch unserer eigenen, beruht. 1198<br />

Brinkmann bringt in seinem Plädoyer für eine abgewogene Würdigung des Code<br />

Napoléon ein gewisses Verständnis für die Position von Rehberg auf. Als Staatsmann<br />

und Mitglied der Regierung des Landes müsse er die Folgen der Fremdherrschaft<br />

als verderblich ansehen und könne eine öffentliche Billigung französischer<br />

Grundsätze nicht aussprechen (S. VII). Brinkmann sieht sich selbst hingegen als<br />

Mitglied des Gelehrtenstandes und damit in einer unabhängigen Lage, die zu seinem<br />

Bedauern nur von wenigen Kollegen genutzt werde.<br />

So sollte man denn billig erwarten dürfen, dass die Gelehrten freimütig ihre Gedanken<br />

äussern würden. Doch wenige nur sind es, die sich durch kleinliche Rücksichten nicht<br />

abhalten lassen, ihre Stimme zu erheben. Einige schweigen, weil ihre angeborene Feigheit<br />

sie verhindert, von der Freiheit, die ihnen ihre bürgerliche Lage gewährt, Gebrauch<br />

zu machen. Andere verläugnen ihre Würde so sehr, dass sie wider bessere Ueberzeugung<br />

loben und tadeln, was irgend ein Mann von Einfluß gelobt und getadelt hat. Dergleichen<br />

verächtlichen windischen Menschen wird freilich mein Buch wenig behagen, indeß<br />

schrieb ich auch nicht in der Absicht, ihnen angenehme Dinge zu sagen. Nie werde<br />

ich aufhören sie zu verachten und sie nach Kräften zu bekämpfen; denn es ist zu fürchten,<br />

daß, wenn nur diese verächtliche Klasse von Menschen eine Stimme haben dürfte,<br />

alles politische Leben versänke. „Wer das Geschäft der Gesetzgebung unternimmt,<br />

muß die Wahrheit hören können.“ [S. VIII f.]<br />

Diese engagierte und deutliche Kollegen- und Regierungsschelte erstaunt in der<br />

Schrift eines gerade promovierenden Privatdozenten, der wusste, in welchem<br />

Umfang seine Karriere von den kritisch Angesprochenen auf der Regierungs- und<br />

Fakultätsebene abhing.<br />

Im Unterschied zu Rehberg war Brinkmann der Auffassung, eine Restauration des<br />

früheren Zustandes werde den Herausforderungen der Zeit nicht gerecht. Er teilte<br />

die Hoffnung jener reformfreudigen Zeitgenossen, die von den Befreiungskriegen<br />

mehr als nur die Vertreibung des äußeren Gegners erwarteten. Brinkmann stand<br />

im Lager jener, die angesichts des aufopfernden Einsatzes so vieler auch eine innenpolitische<br />

Befreiung der Gesellschaft von einengenden Traditionen und Konstitutionen<br />

erhofften.<br />

1198 Wieacker (wie Anm. 1073), S. 342.

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