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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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sogar auf dem Rücken des Pferdes arbeitsökonomisch seine Zeit zu nutzen versuchte.<br />

Als der langsam reitende Forkel seinen davon gepreschten Partner wieder<br />

einholte, wurde er von diesem befragt:<br />

„Aber was haben Sie denn unter der Zeit gemacht?“ — „Klavier gespielt.“ — „Klavier<br />

gespielt? Wie das?“ — Hierauf zog er ein Griffbrett von c, cis bis g aus der Tasche,<br />

dessen Klaves zugleich dem Finger- und Federndruck unterlagen. „In dieser Weise“,<br />

fügte Forkel hinzu, „thue ich vieles zu gleicher Zeit: ich mache mir reitend eine gesunde<br />

Bewegung, erfreue mich an der Natur, beobachte das Wetter, und übe mich bald<br />

mit dieser, bald mit jener Hand.“ 2086<br />

Es erstaunt nicht, dass die Ehe des Verstandesmenschen Forkel mit der jungen Sophie<br />

Margarete Dorothea (Meta) Wedekind, Tochter von Rudolf Wedekind, ao.<br />

Professor für Philosophie und Direktor der Stadtschule, scheiterte. 2087 Meta Forkel<br />

gehörte zu den ebenso begabten wie emanzipierten Göttinger Universitätsmamsellen<br />

und bereicherte zu ihrem Teil die Skandalchronik, die das Göttinger Bürgertum<br />

um diese jungen Frauen rankte. Seit dem 17. Lebensjahr mit Forkel verheiratet,<br />

schrieb sie als 19Jährige einen empfindsamen Briefroman, der anonym unter dem<br />

Titel Maria. Eine Geschichte in Briefen 1784 in zwei Teilen zu Leipzig erschien. 2088 Mit<br />

diesem als zweitrangig eingeschätzten Werk konnte sie keine Resonanz in der<br />

literarischen Welt erregen. Da Partien des Werkes als Schlüsselroman zu lesen<br />

waren, erweckte sie mit ihrem Briefroman Ablehnung in <strong>Göttingen</strong>. Meta schadete<br />

auf diese Weise – aber auch durch ihre amourösen Abenteuer – ihrem Mann,<br />

der nach Kästners Meinung wegen seiner Gelehrsamkeit Besseres verdient hatte.<br />

Unter ihren Liebhabern befand sich auch Forkels Kollege Bürger, der Meta dennoch<br />

als liederliche Frau diskreditierte und spottende Epigramme auf die Furciferaria<br />

verfasste. Auch er wurde im emancipirten <strong>Göttingen</strong> jener Jahre gehörnt: Und das<br />

geschah auf einem Sopha, lamentierte er gegenüber der Schwiegermutter. 2089 1788<br />

verließ Meta Mann und Kind und lebte in Berlin, wo sie ihren Unterhalt mit Über-<br />

2086 Raumer, Friedrich von: Lebenserinnerungen und Briefwechsel. Erster Theil. Leipzig 1861, S. 42.<br />

– Staehelin (wie Anm. 2025), S. 24 f. – Das Griffbrett ist im Verzeichnis seines Nachlasses erwähnt<br />

[Edelhoff (wie Anm. 2025), S. 119, Anm. 32]. – Raumer nennt Forkel den vielleicht vollkommensten<br />

Klavierspieler (ebd. S. 40).<br />

2087 Zu Forkels Ehe vgl. u. a. Edelhoff (wie Anm. 2025), S. 34-36. – Forkels Sohn Carl Gottlieb<br />

wurde nach dem Besuch der Sekunda 1796 in die Prima des Göttinger Gymnasiums aufgenommen.<br />

Im Album der Schule ist der 12. 4. 1782 als sein Geburtsdatum vermerkt (<strong>SUB</strong> HDS: 4° Cod. Ms.<br />

Hist. lit. 50 b , Bd. 2, S. 108 f.).<br />

2088 Hassenstein, Friedrich: Das literarische <strong>Göttingen</strong>. In: Böhme/Vierhaus: <strong>Göttingen</strong> (wie Anm.<br />

30), S. 969.<br />

2089 Vgl. vor allem Siegel, Monika: „Ihre Vergangenheit war nicht ganz fleckenrein“. Das amouröse<br />

Abenteuer zwischen Margareta Dorothea Forkel und Gottfried August Bürger. In: Lichtenberg-<br />

Jahrbuch 1994, S. 207-214. – Kinder, Hermann (Hg.): Bürgers unglückliche Liebe. it 564. Frankfurt<br />

a. M. 1981, S. 132.

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