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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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28. 3. 3. Forkels Lehrangebot einer für „Liebhaber eingerichteten Theorie“<br />

Nach rund sieben Jahren in <strong>Göttingen</strong> waren Bekanntheitsgrad und Ansehen des<br />

nunmehr 28jährigen Musicus Forkel offenbar soweit gestiegen, dass er meinte, mit<br />

dem Ertrag seiner rationalen Aufklärungsversuche vor das musikinteressierte Publikum<br />

<strong>Göttingen</strong>s treten zu können. Am 19. 8. 1777 stellte er bei der Philosophischen<br />

Fakultät den Antrag, seine musikpraktische Tätigkeit auf wissenschaftliche<br />

Aspekte ausweiten zu dürfen, wobei er auf die eifrige Vorsorge der Fakultät für die<br />

Beförderung schöner und nützlicher Kenntnisse setzte:<br />

Schon seit einiger zeit wünschen Liebhaber der Musik eine Anleitung zur richtigen<br />

Kenntniß derjenigen theoretischen Theile dieser Wissenschaft, die zur Ausbildung eines<br />

Kenners und richtigen Beurtheilers derselben unumgänglich nöthig sind.<br />

Dazu habe er in einer kleinen Abhandlung den Plan einer solchen besonders für den<br />

Liebhaber eingerichteten Theorie auseinander gesetzt. Von der Fakultät wünschte er sich,<br />

diese Abhandlung öffentlich eine Einladungsschrift zu musikalischen Vorlesungen nennen zu<br />

dürfen. 2048 Mit der Bitte um die Publikation einer Einladungsschrift umging Forkel<br />

geschickt, das problematische Kernproblem seines Antrags, denn er konnte als<br />

Voraussetzung der an der Universität üblichen Lehrberechtigung weder auf eine<br />

Promotion noch auf eine Pro loco-Disputation verweisen. Es fällt auf, dass diese<br />

fehlenden Zulassungsvoraussetzungen auch bei der Erörterung und Genehmigung<br />

des Antrages keine Rolle spielten, obgleich die Fakultät bei Venia-Anträgen das<br />

Fehlen der praestanda und die Notwendigkeit eines Dispensantrages beim Kuratorium<br />

stets anzusprechen pflegte: Dekan Michaelis setzte Forkels Antrag mit seiner<br />

Befürwortung in Umlauf und keines der zustimmenden sieben Fakultätsmitglieder<br />

sprach die Frage der obligaten Lehrberechtigung an. Michaelis vermerkte als Fakultätsbeschluss<br />

in deren Annalen:<br />

Joachimus Nicolaus Forkel, ab ordine philosophico petiit, ut sibi liceret theoriam artis<br />

musicae philosophicam docere, atque programmate edito lectiones indicare: idque impetravit<br />

acta n. 2. 3. 2049<br />

Für dieses außergewöhnliche Verfahren sind zwei Erklärungen denkbar:<br />

• Vielleicht sah sich die Philosophische Fakultät bei diesem Beschluss<br />

noch in der Nachfolge der mittelalterlichen Artistenfakultät, deren disziplinären<br />

Kernbestand die septem artes liberales ausmachten. Zu ihnen zählte<br />

auch die Musik als Teil des Quadriviums der vier rechnenden Künste. Die<br />

neuzeitliche Philosophische Fakultät hatte sich zu einem Konglomerat<br />

aus artes und scientiae entwickelt. Vielleicht legte sie bei der Veniavergabe<br />

im Bereich der Künste einen andern Maßstab an als bei den Wissenschaften.<br />

Für diese Interpretation spricht ein in Grenzen vergleichbarer Vorgang<br />

aus dem Jahre 1812. Damals beantragte der Freiherr G. A. von Seckendorf<br />

[Nr. 31] als Künstler eine Venia im Bereich der Rhetorik und Mimik<br />

2048 UAG: Phil. Dek. 61, Nr. 2 und 3.<br />

2049 UAG: Phil. Fak. III., Bd. 1, S. 105.

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