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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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und damit auch ein Gegenstand kleinstädtischen Klatsches, dem er nicht nur<br />

durch seine farbige Karriere sondern auch durch auffällige Verhaltensweisen den<br />

notwendigen Stoff lieferte. Im Alter trugen vermutlich skurrile Züge aber auch<br />

sein Aussehen dazu bei, Focke unter die stadtbekannten Originale einzureihen. Er<br />

war, was das Äußere angeht, klein von Statur und mit einem altmodischen Spitzhut<br />

und einem sich bauschenden Radmantel bekleidet. Spottlustige Schüler hängten<br />

ihm deshalb den Spitznamen Fledermaus an und legten ihm die folgenden Verse<br />

in den Mund:<br />

Ich bin der Doktor Focke,<br />

Genannt die Fledermaus,<br />

Frisierte sonst die Locke,<br />

Jetzt zieh‘ ich Wurzeln aus.<br />

Die bildungsbürgerliche Häme dieser Reime wird den Selfmademan Focke vermutlich<br />

wenig berührt haben, brachte sie doch mit Lockendrehen und Wurzelziehen<br />

die Spannweite seiner Lebensleistung auf den Punkt, denn ihm waren nach<br />

eigenem Bekenntnis der Drang nach Wissenschaft und Selbständigkeit durch eigene Anstrengungen<br />

die Triebfedern im Handeln. Er sah sich als ein Mitglied der bürgerlichen<br />

Leistungsgesellschaft, die aber damals noch nicht ihre Verantwortung sah, alternden<br />

Menschen bei nachlassendem Leistungsvermögen ein absicherndes soziales<br />

Netz zu spannen. Bis in sein hohes Alter war er daher genötigt, seine Dienste als<br />

Privatdozent und Privatlehrer anzubieten und sah sich der Gefahr ausgesetzt,<br />

angesichts seiner schwindenden Fachkompetenz zur Karikatur seiner selbst zu<br />

werden.<br />

Am 26. 9. 1855 bat der fast erblindete Focke angesichts der Teuerung den Magistrat<br />

der Stadt um eine einmalige Unterstützung, was aber abgelehnt wurde.<br />

Fockes kuratoriale Personalakte enthält als letzten Vorgang eine Mitteilung von<br />

Prorektor Hermann Sauppe an das Kuratorium vom 3. 3. 1862: Nach Bericht des<br />

Universitätsgerichts sei der pensionierte Privatdozent Dr. Focke am heutigen<br />

Morgen im Alter von angeblich 92 Jahren gestorben. Laut Registratorenvermerk<br />

bestand im Kuratorium die Vermutung, dass Focke etwas aus dem allgemeinen<br />

Unterstützungsfond erhalten habe, weswegen die Akten an diesen weitergegeben<br />

wurden. 1923<br />

Der Privatdozent Magister Christian Focke, pensionierter Lehrer an der Stadtschule,<br />

starb am 3. 3. 1862 angeblich im Alter von 92 Jahren in <strong>Göttingen</strong>. 1924<br />

1923 UAG: Kur 4. V. c. 32, Bl. 37 und Sek 317.<br />

1924 Als Mathematiker wird Focke vermutlich akzeptieren, dass er nach Adam Riese nur 90 Jahre<br />

und einige Stunden alt wurde, denn – nach der allerdings fragwürdigen – Angabe seiner Selbstbiographie<br />

wurde er in der Nacht vom 2./ 3. März 1772 um 12 Uhr geboren. Nach Mitteilung des<br />

Prorektors starb Focke – ebenfalls – in der Nacht vom 2. auf den 3. März 1862.

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