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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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713<br />

her am 1. 5. 1845 den Sergeanten der Stadtwache mit der Zwangsräumung der<br />

Dienstwohnung. 1920<br />

Angesichts seiner vergeblichen Anträge, vom Kuratorium als Privatdozent eine<br />

feste Bezahlung und Pension zu erhalten, sah sich Focke schließlich zu einem<br />

Gesuch an den König veranlasst – die ultima ratio aller in Not geratener Privatdozenten.<br />

Ihm trug er am 1. 12. 1847 vor, er sei seit 40 Jahren Privatdozent der mathematischen<br />

Wissenschaften und seit 33 Jahren Lehrer am Gymnasium. Dabei<br />

habe er den größten Teil seines Lebens dem Staate und Vaterlande geopfert. In<br />

der Erfüllung seiner Pflichten und in dem Bestreben seinen Mitbürgern nützlich<br />

zu sein, habe er Ruhe und Freudigkeit des Geistes gefunden. Nunmehr im 76.<br />

Lebensjahr sei er durch Alter und Schwachheit niedergebeugt und mit einer kleinen<br />

Pension vom Gymnasium entlassen worden. Sie reiche nicht hin, die Miete,<br />

das Brennholz und den unentbehrlichen Lebensunterhalt für ihn und seine<br />

schwächliche Ehefrau zu bestreiten, die wegen der Gicht der Pflege bedürfe. Seine<br />

Einnahmen als Privatdozent seien jetzt ganz unbedeutend, weswegen er den König<br />

bat, ihn mit einer kleinen Pension zu beglücken. 1921<br />

In der negativen Beschlussvorlage für den König wird vom Kuratorium zunächst<br />

die grundsätzliche Position der Landesregierung markiert: Privatdozenten seien<br />

weder fest angestellt noch besoldet. Ferner wird angemerkt, Focke habe nur seine<br />

frühere freie Dienstwohnung verloren. Mit seiner Pension von 300 rthlr. erreiche<br />

er etwa das, was in bar als Diensteinnahme früher ihm zugebilligt war. Eine abschließende<br />

Bewertung stellt fest: Als Privatdocent hat er nie etwas besonderes geleistet.<br />

Angesichts dieser Vorlage verwundert es nicht, wenn König Ernst August als<br />

seine Entscheidung eigenhändig vermerkte: abgeschlagen. 1922 Es gab hoffnungslosere<br />

Fälle unter den Göttinger Privatdozenten, denn immerhin erhielt Focke eine Pension<br />

aus seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer, während andere betagte Privatdozenten<br />

ohne einen Zweiterwerb manchmal buchstäblich vor dem Nichts standen.<br />

Dies galt insbesondere für Fockes Kollegen Schrader [Nr. 22], der wie er – aber<br />

ohne Zweiterwerb – ebenfalls hochbetagt und dazu noch invalide auf Hörer unter<br />

den Studenten der Mathematik angewiesen war [vgl. Kapitel 30. 2]. Nachdem<br />

Focke mit einem Gnadengesuch an den König seine letzte Möglichkeit ausgeschöpft<br />

hatte, akzeptierte offensichtlich sein Schicksal. Als unbesoldeter und nicht<br />

pensionsberechtigter Privatdozent blieben ihm nur die Alternativen, drastische<br />

Einschnitte seiner Lebensqualität vorzunehmen oder bis an den Rand des Grabes<br />

eine Mathematik zu lehren, zu deren Forschungsstand er schon vor längerer Zeit<br />

den Kontakt verloren hatte.<br />

Als selbstbewusster und eigenwilliger Zeitgenosse war Focke über mehrere Jahrzehnte<br />

in <strong>Göttingen</strong> tätig. In seinen Rollen als Friseur, Brauer, Student, Privatdozent<br />

und Gymnasiallehrer wurde er vermutlich eine stadtbekannte Persönlichkeit<br />

1920 Zu den Auseinandersetzungen um Fockes Pensionierung vgl. STA-GÖ: MPG Nr. 215, 216 und<br />

217.<br />

1921 UAG: Kur 4. V. c. 32, Bll. 32-34.<br />

1922 UAG: Kur 4. V. c. 71, Bl. 25. – UAG: Kur 4. V. c. 32, Bl. 35.

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