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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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größern, hatte er in einem Alter von über 70 Jahren seine Glaubwürdigkeit aufs<br />

Spiel gesetzt. Die negativen Erfahrungen beim Überschreiten seiner Kompetenzen<br />

hat Focke offensichtlich nicht vor weiteren riskanten Aktionen bewahrt, denn<br />

fünf Jahre später, am 8. 5. 1847, teilte H. A. Ritter als Dekan der Philosophischen<br />

Fakultät dem Prorektor mit, die Fakultät habe beschlossen, Focke wegen einer<br />

unbefugten Eintragung in das Anmeldungsbuch des Studenten Brandt eine Weisung<br />

zu erteilen, was durch ihn privatim geschehen sei. Zu seiner Rechtfertigung<br />

brachte Focke damals das Argument vor, er wisse nicht, wie weit sich seine Venia<br />

erstrecke, und nach seiner Auffassung würden Logik, Physik und Psychologie mit<br />

der Mathematik genau zusammenhängen. Das Kuratorium nahm diesen Vorgang<br />

zum Anlass, durch eine verbesserte Instruktion für die Dekane, den Quästor und<br />

das Universitätsgericht in Zukunft generell einen Missbrauch der Venia durch die<br />

Privatdozenten zu unterbinden. 1919 Eine Bemerkung in Fockes Selbstbiographie,<br />

die er mit 85 Jahren verfasste, lässt darauf schließen, dass er eine liberale Auffassung<br />

zum Zusammenhang zwischen Lehrkompetenz und fachlicher Verankerung<br />

vertrat:<br />

Im Lehren lernen und umgekehrt; was ich kann, habe ich lebendig erlernt. Die<br />

Dummheit nennts Spazierengehn [S. 24].<br />

Fockes ökonomische Situation verschärfte sich durch seine Pensionierung als<br />

Lehrer der Stadtschule, die am 1. 4. 1844 erfolgte. Obgleich er etwa 71 Jahr alt<br />

war, sträubte er sich gegen eine Pensionierung, da er mit Recht eine Reduzierung<br />

seiner ohnehin geringen Einkünfte aus den städtischen Fonds erwartete. Der Magistrat<br />

schlug denn auch zunächst eine Pension von 200 rthlr. und die Aufgabe der<br />

Dienstwohnung vor. Fockes Intervention beim Oberschulkollegium in Hannover<br />

brachte ihm keine Unterstützung, denn der ihm zunächst wohlwollende Oberschulrat<br />

Kohlrausch führte ihm vor Augen, dass seit mehreren Jahren die Göttinger<br />

Abiturprüfungen in Mathematik den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr<br />

genügten. Als Focke sich weigerte, einem Nachfolger den Unterricht in der Prima<br />

und Obersekunda abzugeben, drohte Kohlrausch sogar mit der rechtlichen Möglichkeit,<br />

ihn ohne Pension zu entlassen, da er im Jahr 1812 von der Westphälischen<br />

Generaldirektion nur provisorisch eingestellt worden war. Schließlich akzeptierte<br />

Focke seine Pensionierung. Seine städtische Pension wurde auf jährlich<br />

225 rthlr. festgesetzt und vorerst aus der Hauptklosterkasse für drei Jahre auf 300<br />

rthlr. aufgestockt. Die Pension entsprach damit etwa den festen Diensteinkünften<br />

seiner letzten Jahre. Bis zuletzt kämpfte Focke um ein lebenslanges Wohnrecht in<br />

seiner Dienstwohnung an der Roten Straße. Wiederholte Aufforderungen des<br />

Magistrats zur Räumung der Wohnung ignorierte er auch dann noch, als finanzielle<br />

Strafen gegen ihn verhängt wurden. Selbst als das Ministerium für geistliche und<br />

Unterrichts-Angelegenheiten am 3. 3. 1845 feststellte, dass er als Pensionierter<br />

weder Anspruch auf Lizentäquivalentgelder noch auf eine Dienstwohnung habe,<br />

beharrte Focke auf seinem Standpunkt. Oberbürgermeister Ebell beauftragte da-<br />

1919 UAG: Sek 317, Bl. 112-114 ( 27. 5. 1847 ).

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