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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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Vor allem trugen die sich verschlechternden ökonomischen Rahmenbedingungen<br />

zur Verschärfung des Konflikts bei. Schrumpfende Einnahmen angesichts drastisch<br />

zurückgehender Studentenzahlen im Vormärz, trafen die von der Universität<br />

nicht besoldeten Privatdozenten besonders empfindlich und veranlassten sie, zu<br />

fragwürdigen Ausweitungen ihres Lehrangebotes, was – auch aus ökonomischen<br />

Gründen – den Professoren nicht tolerabel erschien. Auch deren Einnahmen aus<br />

Hörergeldern gingen mit der sinkenden Frequenz der Studenten zurück, was – wie<br />

in Kapitel 11. 1 dargestellt wird, – seit dem Beginn der 30er-Jahre Lehrkonflikten<br />

zwischen den Privatdozenten und den Professoren führte.<br />

Eine Auseinandersetzung der Juristischen Fakultät mit ihrem Privatdozenten Dr.<br />

Karl Wilhelm Wolff zeigt, dass neben der Lehrfreiheit auch lückenhafte Regelungen<br />

zu derartigen Lehrkonflikten beitrugen. In einem Untersuchungsbericht der<br />

Universitätsgerichtsdeputation zu vergleichbaren Übergriffen von Wolff heißt es<br />

am 6. 10. 1842, dieser habe eine Vorlesung gehalten, zu der er keine Venia besitze.<br />

Der Beschuldigte habe zur Verteidigung angeführt, dass er die Vorlesung privatissime<br />

gehalten habe und hierzu keiner Venia bedürfe. Über die Berechtigung des<br />

Wolffschen Vorgehens war daher nach der Bewertung der Deputation kein sicheres<br />

Urteil möglich, da hinsichtlich der Privatissima es an allen Vorschriften fehle.<br />

Dies sei ein großer Uebelstand, der um so mehr hervortrete, je mehr jene Form zum<br />

Deckmantel der Gewinnsucht gemißbraucht wird, wie es im vorliegenden Falle in der That nicht<br />

zu bezweifeln ist, und wie es auch in der vor einiger Zeit geführten Untersuchung gegen den Dr.<br />

Focke sich herausstellt habe. Je empörender die moralische Verwerflichkeit dieses<br />

Treibens sei, um so notwendiger werde es,<br />

daß dem selben durch Aufstellung gesetzlicher Normen hinsichtlich der Privatdocenten<br />

Einhalt gethan werde, da jetzt die privatissima der Aufsicht der Facultäten gänzlich<br />

entzogen sind, indem bei Ankündigung des Anfangs einer Vorlesung nicht erfordert<br />

wird, dieselben speciell zu benennen. Der Dr. Wolff hat daher auch nur im Allgemeinen<br />

die Zeit des Anfangs seiner Vorlesungen benannt, aus dem gegenüber dem Pedellen<br />

nicht verhehlten Grunde, daß er zu einer Vorlesung die venia nicht habe, etwas, das<br />

sein Treiben charakterisiert, jedoch gegen bestehende Vorschriften nicht anstößt, da er<br />

eine Vorlesung, welche öffentlich zu halten ihm nicht erlaubt worden, privatissime halten<br />

mogte. 1914<br />

Als guter Jurist konnte aber Wolff versierter als Focke mit den Lücken im Regelungsbestand<br />

konstruktiv und rechtlich abgesichert umgehen.<br />

Prorektor Bergmann hob in seiner Anzeige gegen Focke hervor, dass dieser Lehrer<br />

am Gymnasium sei. Bisher habe man geglaubt, daß er sich ehrlicher und redlicher<br />

Weise nur mit dem Unterrichte in der Mathematik beschäftige, und dass er nicht über Fächer,<br />

in welchen er höchstens sehr oberflächliche Kenntnisse besitzt, nämlich über Agricultur und<br />

Technologie eine Vorlesung halten würde. Er habe Focke bisher nur im Allgemeinen<br />

darüber befragt, und von ihm die Antwort bekommen: Auf Verlangen der Studenten<br />

halte er vor beinahe 20 Zuhörern vier Stunden wöchentlich diese Vorlesung.<br />

1914 UAG: Sek 317, Bl. 88 f. – Vgl. auch UAG: Sek 316, Bl. 428.

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