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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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707<br />

In einem veränderten wissenschaftlichen und kollegialen Kontext konnte Focke<br />

nicht mehr auf eine wohlwollende Erinnerung an seine früheren Verdienste rechnen,<br />

und neben seinem Kollegen Gauss und einer begabten jüngeren Mathematikergeneration<br />

konnte Focke in einem Leistungsvergleich nicht bestehen. In Ermangelung<br />

eines dazu disponirenden Fonds wurde Fockes Gesuch vom Kuratorium<br />

abgelehnt. 1908<br />

Fockes Anträge auf Unterstützung und vor allem seine weiter unten darzustellende<br />

fragwürdige Reaktion auf die Ablehnung seines letzten Gesuchs sind vor dem<br />

Hintergrund eines schnellen Wandels im Fach Mathematik zu sehen, der seiner<br />

herkömmlichen Lehrtätigkeit in der absterbenden Sparte der angewandten Mathematik<br />

den Boden entzog. Die Universitätsdisziplin Mathematik zog sich in den<br />

ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auf ihren abstrakten Kern als Strukturwissenschaft<br />

zurück, und stieß ihr reich differenziertes Disziplinengefüge der angewandten<br />

Mathematik ab, das sich z. B. in technologischen Fachwissenschaften<br />

verselbständigte. Damit schrumpfte die Angebotsdomäne der Privatdozenten,<br />

deren Existenzberechtigung noch durch zwei weitere Entwicklungstendenzen in<br />

Frage gestellt wurde. Einmal hatte die Veränderung des Lehrplans und die Verbesserung<br />

des Mathematikunterrichts an Gymnasien zur Folge, dass Brückenkurse<br />

an der Universität für den kleineren Kreis der genuin mathematisch Interessierten<br />

überflüssig wurden. Zum andern hatte die Trennung der Laufbahnen im Justiz-<br />

und Verwaltungsdienst zur Folge, dass die zahlreichen Jura-Studenten im engeren<br />

Sinne als Nachfrager mathematischer Lehrveranstaltungen ausfielen. Von diesen<br />

negativen Entwicklungstendenzen, die durch den generellen Frequenzverlust der<br />

Georgia Augusta noch verstärkt wurde, waren die Privatdozenten Focke und<br />

Schrader [Nr. 22] hart betroffen, wobei der letzte nicht einmal einen Zweitberuf<br />

ausübte, um sein Risiko abfedern zu können. 1909<br />

Focke hat als Privatdozent insgesamt vom WS 1807/1808 bis zum WS 1858 in<br />

rund 50 Semestern mathematische Lehrveranstaltungen im deutschsprachigen<br />

Lektionsverzeichnis angekündigt. In seinen letzten Jahren beschränkte der Betagte<br />

sich auf eine Veranstaltung, in der er anbot, die reine und die angewandte Mathematik<br />

in zu vereinbarenden Stunden zu lehren. Er war jetzt der Nachhilfelehrer in<br />

der Mathematik und zeitweise der einzige Privatdozent unter lauter Professoren,<br />

wie z. B. im SS 1850. Das übrige Lehrangebot dieses Semesters wurde von den<br />

Professoren Gauss, Stern, Ulrich, Goldschmidt und Listing bestritten. Die folgende<br />

Tabelle 23 zeigt anhand von Stichproben, in welch erstaunlichem Ausmaß sich<br />

die Angebots- und die Personalstruktur während der Dienstzeit Fockes – unter<br />

großen Schwankungen – veränderte. 1910<br />

1908 UAG: Sek 317, Bll. 5 und 7. Ferner: Kur 4. V. c. 32, Bll. 29 und 31.<br />

1909 Vgl. Kapitel 30. 2.<br />

1910 Zu Stationen auf diesem Entwicklungspfad der Mathematik vgl. Seite 691 und Seite 248.

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