10.12.2012 Aufrufe

Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

652<br />

Befürchtung für grundlos, solange Kirsten und Wunderlich dabei sind. Gegenüber J. von<br />

Müller bekräftigte er seine Auffassung von der fundamentalen Bedeutung der<br />

Schulen: Eine gute Schule sei einer mittelmäßigen Universität weit vorzuziehen.<br />

Er habe sich seinerzeit erdreistet, den hannoverschen Kuratoren zu sagen, die<br />

Georgia Augusta sei ein schöner Turm mit goldenem Knopf, der aber keinen<br />

Grund habe, so lange keine guten Schulen im Lande seien. Damals ließ sich durch<br />

Freimüthigkeit etwas ausrichten. 1750 Auch die Pläne Napoleons für eine radikale inhaltliche<br />

und organisatorische Reform des Schulwesens trafen bei Heyne und den<br />

maßgebenden Lehrkräften des Göttinger Gymnasiums auf Widerstand. Die geforderte<br />

militärische Tendenz der Erziehung, die Propagierung der Mathematik als<br />

wichtigstes Unterrichtsfach und die damit verbundene Abwertung der altsprachlichen<br />

Bildung waren mit ihnen nicht zu machen. Heyne hätte sein Lebenswerk<br />

verleugnen müssen, wenn er sich den französischen Vorstellungen einer Schul-<br />

und Universitätsreform hätte anschließen wollen, nach der ein junger Mann, der den<br />

Geist des Alten in sich trägt, [...] in jeder andern neueren Verfassung, als der Englischen, ein<br />

wahres Ueberbein der Gesellschaft war. 1751<br />

Vor Ort nutzte Heyne seine Einflussmöglichkeiten im Göttinger Gymnasium u. a.<br />

zur Förderung von Privatdozenten, indem er qualifizierte junge Wissenschaftler<br />

dem Magistrat der Stadt als Kollaboratoren empfahl. Der Stadtschule erschloss<br />

sich auf diese billige Weise ein Reservoir engagierter junger Lehrer, die durch ihre<br />

neuhumanistisch inspirierten Reformversuche zum beachtlichen Niveau der Stadtschule<br />

beitrugen. Den unbesoldeten Privatdozenten bot sich ein Nebenverdienst<br />

und ein pädagogischer Erfahrungsraum, der für ihre berufliche Entwicklung innerhalb<br />

oder außerhalb der Universität von Bedeutung war. Michaelis hatte 1770<br />

in seinem Raisonnement die zu seiner Zeit beobachtbare Kombination des Rektorats<br />

eines Gymnasiums und der Professur an einer Universität wegen der Doppelbelastung<br />

kritisiert und sogar die Nebentätigkeit von Privatdozenten an Schulen<br />

abgelehnt. 1752 Heyne hat sich nicht an diese Empfehlung seines Kollegen gehalten,<br />

wie die folgenden Beispiele zeigen:<br />

Im Stichjahr 1812 lehrten unter dem Direktorat des Privatdozenten Kirsten [Nr.<br />

21] an der Göttinger Stadtschule noch der Privatdozent G. H. Lünemann [Nr. 26],<br />

der seit 1804 als Rektor der zweite Lehrer an der Schule war, und ferner der bereits<br />

70 Jahre alte Privatdozent und Mathematiklehrer G. J. Ebell [Nr. 20]. Der<br />

Wunsch des Privatdozenten Christian Focke [Nr. 27] als Lehrer der Mathematik<br />

angestellt zu werden, ging noch 1812 in Erfüllung. Der Privatdozent Mahn [Nr.<br />

29] wird 1813 beginnen, seine schwierige Situation als Nachwuchs im „Orchideenfach“<br />

Orientalistik durch eine mehrjährige Lehrtätigkeit am Gymnasium aufzubessern.<br />

Von der Generaldirektion ohne Mitwirkung der Stadt in seine Stelle eingewiesen,<br />

entsprach er nicht den Erwartungen (vgl. Kapitel 21. 5). Auch Friedrich<br />

Wilhelm Eberlein war nach dem Abgang seines älteren Bruders Johann Christian<br />

1750 Meyer: Ilfeld (wie Anm. 53), S. 35 und S. 36. – Knoke: Schulwesen (wie Anm. 50), S. 206.<br />

1751 Zinserling, A[ugust] E[rnst]: Westphälische Denkwürdigkeiten. Berlin 1814, S. 162.<br />

1752 [Michaelis] (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 267 und 270.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!