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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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Arnemann-Streit des Vorjahres über die Kur des Scharlachfiebers fast zu einem<br />

Studentenauszug geführt hatte. 1661 Winiker sah es angesichts derartiger fachlicher<br />

Auseinandersetzungen als die Pflicht eines jeden Schriftstellers an, ungeheuchelt<br />

seine Meinung zu sagen. Negative Beispiele seien leider nicht selten. Ich rede, schreibe<br />

und handele, wie ich denke. Er sei nur der Wahrheitssuche verpflichtet. Da auch<br />

Winikers Kollege, Dr. Kraus [Nr. 15] immer wieder hervorhebt, dass er trotz aller<br />

Widerstände sich mit Wahrhaftigkeit an der Wahrheitssuche in den medizinischen<br />

Wissenschaften beteiligen wolle, ist anzunehmen, dass an der Georgia Augusta um<br />

die Jahrhundertwende gewisse Lehrmeinungen mit großem Konformitätszwang<br />

vertreten wurden, so dass junge Mediziner sich bei der Entfaltung eigener Positionen<br />

und bei dem Aufgreifen von Alternativen durch die maßgebenden Ordinarien<br />

eingeengt fühlten. Auch bei Breden [Nr. 12] klingt eine vergleichbare Kritik an.<br />

Bei dem Stil der Auseinandersetzungen ist nicht auszuschließen, dass im Streit um<br />

die Wahrheit auch die Wahrhaftigkeit des Kontrahenten in Frage gestellt wurde.<br />

Unter diesen Umständen war es für junge Mediziner um 1800 nicht leicht, im z. T.<br />

dogmatisch verhärteten Schulenstreit sich einen eigenen Standpunkt zu erarbeiten<br />

und zu behaupten. Mit der Berufung Himlys im Jahre 1803 verschärfte sich vermutlich<br />

in <strong>Göttingen</strong> dieses Orientierungsproblem der Studenten und Privatdozenten<br />

noch. Sieht man von der Hausberufung des Professorensohnes J. F. Osianders<br />

[Nr. 17] ab, hat die Medizinische Fakultät der Georgia Augusta mit der<br />

Privatdozenten-Stichprobe des SS 1812 nicht zum akademischen Nachwuchs<br />

beigetragen. Auch Osiander sah sich in seiner Antrittsvorlesung veranlasst, im<br />

Richtungsstreit der Mediziner Stellung zu beziehen.<br />

Gegenüber dem einseitigen Geltungsanspruch mancher medizinischer Theorien<br />

macht Winiker in der Vorrede seiner Publikation über die Erregungstheorie auf<br />

die Tatsache aufmerksam, dass der größte Teil der Kranken durch unterschiedliche<br />

Behandlungsarten wieder hergestellt werde, was zu der Grundsatzfrage veranlassen<br />

könne, ob die Theorien der Medizin falsch bzw. ärztliches Handeln unnütz<br />

sei. Nicht selten würden Krankheiten auch ohne ärztliche Hilfe verschwinden,<br />

woraus sich insbesondere auch Einwände gegen die Erregungstheorie ableiten<br />

ließen. Sein Buch zur Erregungstheorie gliedert Winiker in zwei Teile:<br />

Wie wird Heilung von Krankheiten sowohl ohne ärztliche Hülfe, als auch<br />

bei jeder ärztlichen Behandlungsart möglich? [S. 1-88]<br />

“Gedanken über gemischte Asthenie der Erregung“ [S. 89-152].<br />

Im zweiten Teil geht Winiker der theoretischen Fragestellung nach, ob die von<br />

Röschlaub und Cappel unternommenen Versuche tragfähig waren, Browns umstrittene<br />

Annahme einer gemischten Asthenie zu verteidigen.<br />

1661 Zu den Göttinger Auseinandersetzungen um die Lehre Browns vgl. u. a. Marino (wie Anm. 30),<br />

S. 81-84. – Zum Kleinkrieg unter klinischen Medizinern um die Studenten vgl. auch Kumsteller (wie<br />

Anm. 1080), S. 40. – Zum Cappel-Arnemann-Streit vgl. die bei Brüdermann: Gerichtsbarkeit (wie<br />

Anm. 119), S. 487 Anm. 438 angegebene Literatur.

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