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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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601<br />

Trotz einiger Befreiungsversuche gelang es Quentin nicht mehr, diesem fatalen<br />

Teufelskreis persönlicher, familiarer und beruflicher Probleme sowie der negativen<br />

Resonanz in der Öffentlichkeit zu entkommen. Er war offensichtlich der Komplexität<br />

seines Lebens nicht mehr gewachsen, als dies aus dem Ruder zu laufen<br />

begann, und tauchte zeitweise in eine Gegenwelt ab, in der er Deutungen seines<br />

Lebens entwickelte, die ihn weitgehend von einer Mitverantwortung entlasteten<br />

und ihn ohne energische Gegenwehr die Dinge treiben ließen. Für diese Annahme<br />

spricht die Strategie seiner Rechtfertigung, wenn man ihm Fehler und Schwächen<br />

seines empirischen Ichs vorhielt. Die Kritiker kennten sein Leben nicht, lautete<br />

sein Gegeneinwand, denn sie hielten ihm nur zusammenhanglose Bruchstücke<br />

seines Lebens vor, bei denen der verständnisvolle Blick auf das Ganze fehle:<br />

Das Leben eines Menschen hat pragmatischen oder psychologischen Zusammenhang, es<br />

besteht aus Ursache und Wirkung, nicht aber aus abgerissenen unzusammenhängenden<br />

Theilen. Es bindet sich streng an eine Zeitfolge und nie dürfen die Zeiten, da etwas<br />

geschehen sein soll, verwechselt, oder gar mit Verwechslungen der Zeitfolge, Alles, als<br />

ob solches erst kürzlich geschehn, in einen Topf geschüttet werden. 1632<br />

Die Außenwirkung seines Verhaltens auf Dritte wollte er sich in seiner binnenweltlichen<br />

Selbsteinschätzung nicht zurechnen lassen. Insbesondere war er nicht<br />

geneigt, sein abweichendes Verhalten der zurückliegenden Zeit als gegenwärtige<br />

Hypothek zu übernehmen.<br />

Offenbar haben manche Zeitgenossen Quentins Hilflosigkeit ausgenutzt, um sich<br />

im häuslichen und beruflichen Bereich auf seine Kosten zu bereichern. Auf<br />

Dankbarkeit in bedrängter Lage hoffend, sah sich der bis dahin als Mandatar gesuchte<br />

Anwalt nunmehr einer Fülle von „Forderungen“ und gerichtlichen Klagen<br />

gegenüber, mit denen misstrauisch gewordene Gläubiger jenen überzogen, dem<br />

sie bis dahin großzügig Kredit gewährt hatten. Allein im Jahre 1822 hatte Quentin<br />

sich vor dem Universitätsgericht mit zehn Klägern auseinanderzusetzen. 1633 Dabei<br />

handelte es sich in der Regel nicht um große Summen. Als das Universitätsgericht<br />

am 29. 1. 1823 einen Termin für eine Gläubigerversammlung auf dem Konzilienhaus<br />

ansetzte, erschienen acht, deren Außenstände sich auf insgesamt 123 rthlr. 22<br />

ggr. 1 & Schulden summierten. Quentin versuchte nach Kräften seine Gläubiger<br />

voll zu befriedigen, und weigerte sich als ehrlicher Schuldner auf dem Insolvenzwege<br />

Abschläge auszuhandeln. So zahlte er z. B. 1822 den Gymnasiasten Reuter,<br />

ungemein rundlich auf einer Göttinger Gasse wandelnd dargestellt, dazu ein heruntergekommener<br />

alter Studierender der Theologie namens Söldner. – Vielleicht war Söldner unter den drei Brüdern (?)<br />

dieses Namens der älteste. Vgl. Selle: Matrikel (wie Anm. 1134),S. 914, Nr. 38 141: Hermann Söltner;<br />

Hannover; theol.; Zeugnis vom Andreanum Hildesheim; V.: Prediger zu Gleidingen. Immatrikulation<br />

am 4. November 1835 oder Nr. 35 583 oder 32 564.<br />

1632 UAG: Kur 3. n, Bl. 5/378.<br />

1633 Insgesamt 70 Klagen von Gläubigern oder Mandanten, die eine Herausgabe ihrer Akten forderten,<br />

sind allein unter der Signaturen GER B VIII und GER B IX im Universitätsarchiv erhalten.

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