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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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gen an die Universitäten Dorpat und Heidelberg sei er vorgeschlagen worden,<br />

wobei er die Belege schuldig bleibt. Eine Berufung nach Heidelberg kann er sich<br />

nur erträumt haben. Noch in den zwanziger Jahren – so referiert Quentin 1837 –<br />

habe ihn die Justizkanzlei in ihrem Bericht über die Fähigkeiten der Göttinger<br />

Advokaten an deren Spitze gesetzt.<br />

Bis etwa 1820 hat Quentin demnach offensichtlich ein respektiertes, relativ unbeschwertes<br />

und auch genussreiches Leben geführt, wobei er insbesondere dem<br />

Essen und Trinken reichlich zusprach. Von seinen guten Einnahmen brauchte er<br />

nach eigener Darstellung bis dahin nur die Hälfte aufzuwenden, um den notwendigen<br />

Lebensunterhalt zu bestreiten. Um 1820 setzt Quentin in der autobiographischen<br />

Rekonstruktion seines Lebens eine Wende zum Schlechteren an. Sie lässt<br />

sich anhand der Akten des Universitätsgerichts nachvollziehen, denn als Privatdozent<br />

unterstand auch der Anwalt Dr. Quentin fernerhin dessen Gerichtsbarkeit,<br />

und er hat wie manch anderer Angehöriger der Universität extensiv die Vorteile<br />

dieser Regelung genutzt. Quentin führt die Wende auf gehäufte Unglücksfälle in<br />

der Familie und ungewöhnliche Geschäftsentwicklungen zurück, wie sie selten<br />

einen Menschen getroffen hätten. Da diese Ereignisse offensichtlich stadtbekannt<br />

waren, benennt Quentin sie in seinen um Verständnis werbenden bzw. lamentierenden<br />

Eingaben beim Universitätsgericht nicht genauer und begnügt sich zumeist<br />

mit allgemeinen Andeutungen seiner Misere.<br />

Die unerwartete Wende ins Negative stand in Wechselwirkung mit schweren Erkrankungen<br />

und psychischen Störungen, die ihn in die Hilflosigkeit einer tief greifenden<br />

Schwermut stürzten. 1630 Durch seine Untätigkeit wurde er selber ein entscheidender<br />

Faktor seines Niedergangs: eine sich rasch ausbreitende Unordnung<br />

seines Hauswesens und seiner Advokatur beeinträchtigten seine berufliche Leistungsfähigkeit<br />

als Basis seines wirtschaftlichen Erfolges. Ein Verfall seiner bürgerlichen<br />

Reputation war die Folge – mit allen zirkulären Konsequenzen für seine<br />

psychischen Möglichkeiten zur Bewältigung dieser Lebenskrise. Trübsinn bzw.<br />

Schwermuth lautet Quentins Selbstdiagnose. Markantester Indikator der ihn lähmenden<br />

Hilflosigkeit ist das Aussetzen seiner Deservitenbücher um 1820. Da er<br />

sich auf diese Weise seines wichtigsten beruflichen Instrumentariums beraubte,<br />

sah der respektierte Anwalt durch die Unordnung in seiner Kanzlei sich plötzlich<br />

als zahlungsunfähiger Schuldner in der Klemme schimpflicher Zwangsmaßnahmen.<br />

Seine offenbar unbezähmbare Esslust und ihre Folgen setzten ihn dem Gespött<br />

einiger Bürger und Studenten und der spitzen Feder eines Karikaturisten<br />

aus. 1631<br />

1630 Eine ausführliche Krankheitsgeschichte legte Quentins Arzt Dr. med. C. J. Pickhardt am 13. 11.<br />

1840 im Rahmen seiner Honorarforderung an den Nachlaßverwalter vor (UAG: GER E L. – nicht<br />

paginiert).<br />

1631 UAG: Kur 3. n, Bl. 354: Karikatur von Quentin und Söldner (Ausschnitt auf dem Titel dieses<br />

Bandes). – Nach dem erläuternden Bericht des Göttinger Polizeidirektors erregten Quentins Schwächen<br />

die Aufmerksamkeit des Publikums so sehr, dass im Februar 1835 bei dem Göttinger Kunsthändler<br />

Rocca eine dem Bericht angeschlossene Caricatur erschien, welche auf Quentins Antrag und<br />

zur Vermeidung des dadurch erregten Skandals konfisziert wurde. Auf diesem Bild ist Quentin

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