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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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25. Ein mit Entlassung bedrohter Privatdozent –<br />

Notar Dr. jur. J. G. Quentin<br />

Von den vier Privatdozenten, die 1812 zugleich als Tribunalrichter bzw. Tribunalprokuratoren<br />

(Anwälte) vor Ort in der westphälischen Gerichtsbarkeit tätig<br />

waren, blieb nur Dr. Johann Georg Quentin [Nr. 5] auf Dauer in <strong>Göttingen</strong> als<br />

Notar tätig. Neben dem noch problematischeren Juristen August Zimmermann<br />

entwickelte er sich gegen Ende seines Lebens durch seinen Lebenswandel zu einem<br />

Ärgernis für die Universität. Durch sein Verhalten fühlte sich der Juraprofessor<br />

Friedrich Christian Bergmann in seiner Eigenschaft als Regierungsbevollmächtigter<br />

derartig herausgefordert, dass dieser versuchte, Quentin in einem juristisch<br />

fragwürdigen Verfahren den Status eines Privatdozenten aberkennen zu lassen.<br />

Dabei bewegte Quentin sich in seinen letzten Jahrzehnten relativ harmlos am<br />

Rande des akademischen Proletariats, das damals als Folge einer Überfüllungskrise<br />

unter dieser Bezeichnung zum Thema wurde. Auch an der Georgia Augusta wurden<br />

marginale Existenzen von der feinen Gesellschaft nur widerwillig ertragen, falls<br />

sie in ihrem Abseits durch ein abweichendes Verhalten „unfeiner“ Art auffielen.<br />

Auf dem Umschlag dieses Bandes ist Quentin in seiner Leibesfülle zu sehen – eine<br />

Folge seiner vielen und reichhaltigen menus plaisirs. Zu seiner Zeit hat er die<br />

Verbreitung dieser Karikatur verhindern können. 1618 Vielleicht wurde der Notar<br />

auch unter politischem Aspekt misstrauisch beobachtet, denn nach den Göttinger<br />

Unruhen von 1831 hatte er sich mit Petitionen zugunsten der Unzufriedenen und<br />

Benachteiligten eingemischt. Die undifferenzierte Attacke Wilhelm Heinrich<br />

Riehls zeigt, wie leicht die gutbürgerliche Gesellschaft damals bereit war, auch die<br />

marginalisierten Privatdozenten als politisch bedrohlich wahrzunehmen:<br />

Die Proletarier der Geistesarbeit sind in Deutschland die eigentliche ECCLESIA MI-<br />

LITANS des vierten Standes. Sie bilden die große Heersäule der Gesellschaftsschicht,<br />

welche offen und selbstbewußt mit der bisher überlieferten socialen Gliederung gebrochen<br />

hat. [...] Ich fasse auch diese Gruppe des vierten Standes in ihrer ganzen Consequenz<br />

und weitesten Ausdehnung: Beamtenproletariat, Schulmeisterproletariat, perennierende<br />

sächsische Predigtamtscandidaten, verhungernde akademische Privatdocenten, Literaten,<br />

Journalisten, Künstler aller Art, von den reisenden Virtuosen bis zu den wan-<br />

1618 Zur Karikatur vgl. Fußnote 1631.– Generell: Pütter: Gelehrtengeschichte (wie Anm. 20), Bd. 3,<br />

S. 386; Bd. 4, S. 483. – Ebel: Catalogus (wie Anm. 19), S. 65, Nr. 74.

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