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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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Schulz hat kaum ein Dozent weder vor noch nach Gräffe die praktische Arbeit mit den<br />

Studenten so gründlich und ausführlich wie dieser gepflegt. 1610 Schließlich ist er<br />

unter den 32 Privatdozenten der Stichprobe des SS 1812 einer, dem es durch seine<br />

Lebensleistung gelungen ist, noch in unsern Tagen im historischen Diskurs über<br />

die Geschichte seines Faches einen Platz zu behaupten.<br />

1987 hat Christoph Bizer Gräffes Selbstbestimmung als Katechet zitiert:<br />

Die Religion, die den Menschen in ihre Erziehung nimmt, will den ganzen Menschen<br />

veredeln, und ihm die besten Erleichterungen darreichen, daß er alle seine Kräfte, seiner<br />

Bestimmung gemäß, für die Zeit und für die Ewigkeit weislich anwende. Der Katechet<br />

ist nun derjenige Diener und Arbeiter, welcher als ein Werkzeug der Sittlichkeit und<br />

Religion der Jugend behülflich werden soll, ihre Kräfte zu entwickeln, und zu einem<br />

höhern Zustande der Reife zu vervollkommen. Der Katechet sorgt dafür, daß die Jugend<br />

den Verstand schärfe, die edelsten Grundsätze einsammele, die Vernunft ausbilde,<br />

und so dem Ideale eines weisen, tugendhaften, und rechtschaffenen Erdbewohners,<br />

dessen Bestimmung in der Ewigkeit liegt, immer näher gebracht werde.<br />

Bizer schließt die Würdigung des Verfassers im Anschluss an dieses Zitat mit der<br />

von leiser Ironie aber auch von Respekt getragenen Bemerkung: Wer möchte da nicht<br />

selber zum Katecheten werden! 1611<br />

Gräffe als Privatdozenten einzuordnen, fällt nicht nur Dritten schwer. Als Gräffe<br />

für die Erhebung über die Privatdozenten zu Ostern 1812 seinen Tätigkeitsbericht<br />

verfasste, notierte er abschließend mit leichter Resignation:<br />

Dem vorhergehenden zu Folge bin ich weder Professor, noch auch Privat-Docent, sondern<br />

ein von der vorigen Landesregierung angesetzter akademischer Lehrer der Pastoraltheologie.<br />

Aber ein „Lehrbeauftragter“ war in der wenig differenzierten Ämterklassifikation<br />

der Universität keine statusbegründende Kategorie. Dass er 1812 als 58jähriger<br />

akademischer Lehrer und Superintendent von der Universität unter dem Rubrum<br />

„Privatdozent“ eingeordnet wurde, war vermutlich für Gräffes Empfinden eine<br />

kränkende Einfallslosigkeit. Mit einem Anflug von Verbitterung setzte er noch<br />

hinzu, dass er in den verflossenen 19 Jahren für seine Tätigkeit an der Universität<br />

nicht die mindeste Vergeltung, oder ein Salarium noch sonst einen Vortheil von meinem Vaterlande<br />

erhalten habe. Sein Katechetisches Institut war der Einmannbetrieb eines privaten<br />

Dozenten, auf dessen kostenneutrales Engagement die sparsame hannoversche<br />

Landesregierung über Jahrzehnte setzen konnte. Aus der Besoldungsperspektive<br />

gesehen, war Gräffe sogar der Privatdozent wie er im Buche steht: engagiert und<br />

aufkommensneutral. Ob ihm für sein Engagement am Lebensende eine Ehrung<br />

zuteil wurde, ist ungewiss, und der Undank der Theologischen Fakultät war ihm<br />

vermutlich über seinen Tod hinaus sicher. Erst 1849 wird die Fakultät mit Friedrich<br />

August Eduard Ehrenfeuchter einen Ordinarius in ihre Reihen aufnehmen,<br />

1610 Schulz: Katechetik (wie Anm. 1536), S. 209.<br />

1611 Bizer (wie Anm. 1536), S. 128.

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