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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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577<br />

diese Zeit erinnerte. Offenbar wurde Gräffe auch von der Hypochondrie erfasst, –<br />

einer Art pastoraler Berufskrankheit angesichts überfordernder Diskrepanzen. 1550<br />

Diese Zeit war für Gräffe auch deswegen problematisch, weil ihm z. T. an entlegenen<br />

Orten die Möglichkeit fehlte, sich durch Predigen und Katechisieren auf<br />

das angestrebte Predigeramt vorzubereiten. Theologiestudenten hatten sich nach<br />

der Verordnung über die Kandidaten und Studenten der Theologie vom 27. 9.<br />

1735 nach ihrem Studium beim Superintendenten jener Inspektion zu melden, in<br />

der sie sich vorläufig niederließen. Ihn hatten sie um die Vergünstigung zu bitten,<br />

eine Kanzel betreten und im Predigen sich üben zu dürfen. Erst wenn sie das<br />

kanonische Alter von 25 Jahren überschritten hatten, durften sie sich beim Konsistorium<br />

in Hannover zum ersten Examen (Tentamen) melden und wurden im<br />

Erfolgsfall in ein Verzeichnis der zur Anstellung vorgesehenen Kandidaten eingetragen.<br />

In der Regel hatten sie noch drei weitere Jahre auf ihre Einstellung zu warten.<br />

1551<br />

Gräffe legte 1783 sein Examen pro candidatura vor dem Konsistorium in Hannover<br />

ab. Dabei wurde Christoph Heinrich Chappuzeau, Abt des Klosters Loccum, auf<br />

ihn aufmerksam. Als Hospes des Klosters konnte Gräffe von nun an unter optimalen<br />

Bedingungen seine Fortbildung fortführen. 1552 Der Wechsel muss auf ihn<br />

wie eine Erlösung gewirkt haben:<br />

Multis tempestatibus, vicissitudinibus rerum variis jactatus, ac moerore animique aegritudine<br />

saepe oppressus, coelum tandem vidi serenum, et placatis vitae meae fluctibus in<br />

portum amoenissimum delatus sum, tunc temporis, cum Hospitibus coenobii Loccumani<br />

adscribebar.<br />

Gräffe beschreibt in seinem Curriculum vitae die wohltuende Wirksamkeit Loccums<br />

auf seine Studien. Er schätzte die Anregungen des Abtes und der Hospites, die<br />

Nutzung der reichhaltigen Bibliothek und die Möglichkeit zum Lesen, Schreiben<br />

und Meditieren.<br />

Nach 1 ½ Jahren in Loccum wurde Gräffe etwa neun Jahre nach Studienabschluss<br />

am 20. 6. 1784 mit 30 Jahren als Pfarrer in Obernjesa südlich <strong>Göttingen</strong> eingeführt,<br />

wobei der zuständige Superintendent Ch. J. Luther (St. Jacobi) nach Einwilligung<br />

der Gemeinde die Aufstellung und Introduktion Gräffes miteinander ver-<br />

1550 Die Hypochondrie wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch zu den pastoralen Berufskrankheiten<br />

gerechnet. Bei dieser Variante eines damals modischen Erklärungskonzeptes nahm man an,<br />

dass die Gemütskrankheit der Betroffenen durch die Diskrepanz zwischen der Erwartung hoher<br />

theologischer Gelehrsamkeit einerseits und der unzureichenden theologischen Ausbildung auf der<br />

andern Seite hervorgerufen wurde [Holze (wie Anm. 180), S. 88]. Sie wurde vermutlich noch durch<br />

die Perspektivenarmut eines langen Interims zwischen Studienabschluss und Berufseintritt verschärft.<br />

1551 Willich (wie Anm. 636), Bd. 1, S. 475-483. – Meyer, Philipp: Die theologischen Prüfungen in der<br />

lutherischen Kirche Calenberg-<strong>Göttingen</strong>s und Lüneburgs bis zum Jahre 1868. In: Zeitschrift der<br />

Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte, Teil I: 54/1954, S. 1-33; Teil II: 53/1955, S.<br />

75-103. Hier: Teil II, S. 75 ff.<br />

1552 Zur Rolle der Hospites im Kloster Loccum: Holze (wie Anm. 180), S. 146 und S. 148-158.

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