Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...
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362 BLUTALKOHOL VOL. 42/2005 Heinz Schöch, Probleme der Fahrsicherheit und Fahreignung bei Substitutionspatienten schein in Deutschland anzuerkennen ist, und legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH entschied daraufhin, dass der ausländische EU-Führerschein zunächst einmal auch in Deutschland anzuerkennen sei. Art. 1 II in Verbindung mit Art. 7 I lit. b und Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG sei so auszulegen, dass ein Mitgliedstaat einem von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein die Anerkennung nicht deshalb versagen darf, weil nach den ihm vorliegenden Informationen der Führerscheininhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats und nicht im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats gehabt hat. § 28 IV Nr. 2 FeV sei wegen des entgegenstehenden vorrangigen Gemeinschaftsrechts unanwendbar 27 ). Es sei Sache des Ausstellungsstaates, sich zu vergewissern, dass die Fahrerlaubnis unter Beachtung des Wohnsitzerfordernisses ausgestellt werden durfte. Selbst wenn also kein ordentlicher Wohnsitz im Ausstellungsstaat bestanden hat und damit die dortigen Behörden überhaupt nicht zuständig waren, ist zunächst von einem anzuerkennenden Führerschein auszugehen. Ferner entschied der EuGH, dass Art. 1 II in Verbindung mit Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG so auszulegen sei, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats auf den Inhaber des Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist. Um den damit drohenden „Führerscheintourismus“ durch problembehaftete Führerscheinbewerber zu verhindern, gibt es neuerdings verschiedene Versuche, die Reichweite des EuGH-Urteils vom 29. 04. 2004 im Wege restriktiver Auslegung zu beschränken. Denn bei wörtlicher Auslegung des Urteils wäre es beim Erwerber einer ausländischen Fahrerlaubnis nach Ablauf der von einem deutschen Gericht festgesetzten Sperrfrist unzulässig, eine zusätzliche Eignungsprüfung als Bedingung für die inländische Anerkennung zu verlangen. Dieser Konsequenz widerspricht aber § 28 IV Nr. 3 i. V. mit Abs. 5 FeV. Danach kann die Berechtigung zur Führung von Kraftfahrzeugen im Inland solchen Inhabern einer EU-Fahrerlaubnis aberkannt werden, „denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben“. Streitig ist nun, ob diese Vorschrift der Richtlinie 91/439/EWG widerspricht und deshalb unwirksam ist 28 ) oder ob das deutsche Recht angesichts des Regelungsvorbehaltes in Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG und der Lückenhaftigkeit der materiellen Eignungsvoraussetzungen in dieser Richtlinie anwendbar bleibt. GEIGER 29 ) weist darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Fahrerlaubniserteilung außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie nicht harmonisiert seien, weshalb es dem nationalen Gesetzgeber obliege zu bestimmen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um von der Wiedererlangung der Fahreignung nach Entzug ausgehen zu können. Die Richtlinie 91/439/EWG enthalte außer allgemeinen Mindestanforderungen hinsichtlich der körperlichen und geistigen Tauglichkeit für das Führen von Kraftfahrzeugen in ihrem Anhang III keine materiellen Anforderungen. Deshalb könne das nationale Recht – ohne
Heinz Schöch, Probleme der Fahrsicherheit und Fahreignung bei Substitutionspatienten Verstoß gegen Art. 1 II i.V. mit Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG – z. B. vorschreiben, dass die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung eines – positiven – ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig sei und dass deren Fehlen der Anerkennung einer im Ausland nach Ablauf einer Sperrfrist erworbenen Fahrerlaubnis entgegengehalten werden könne 30 ). Der VGH Baden-Württemberg hat in einem Urteil vom 12. 10. 2004 31 ) auf die Ermächtigung des Art. 8 IV 1 der Richtlinie 91/439/EWG hingewiesen, von welcher der deutsche Gesetzgeber gerade durch die Regelungen in § 28 IV Nr. 3 i.V. mit Abs. 5 FeV Gebrauch gemacht habe. Das erst seit 01. 09. 2002 in § 28 V FeV verankerte Erfordernis einer innerstaatlichen Entscheidung bezüglich der Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis nach früherer Entziehung, das vom EuGH nicht beanstandet worden sei, stelle zugleich sicher, dass die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis nicht auf unbestimmte Zeit versagt werde. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG könne dem aufnehmenden Staat eine Prüfung nicht untersagt werden, ob die ursprünglich für die Entziehung oder Versagung maßgeblichen Gründe noch fortbestehen. Nach einem Beschluss des VG München vom 13. 01. 2005 32 ) hat die Verwaltungsbehörde gemäß § 3 I 1, 2 StVG i.V. mit § 46 V 2 FeV dem Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erweist, das Recht abzuerkennen, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Gemäß § 46 III i.V. mit § 11 VIII FeV dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser eine nach den §§ 11 bis 14 FeV verlangte Fahreignungsbegutachtung verweigere. Selbst wenn – entgegen der Ausführungen GEIGERS und des VGH Baden- Württemberg – § 28 IV Nr. 3 FeV wegen entgegenstehenden Gemeinschaftsrechts unanwendbar wäre, stelle jedenfalls ein Vorgehen nach diesen Normen keinen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen dar. Trotz des Anerkennungsgebots des Art. 1 II der Richtlinie 91/439/EWG verbleibe es grundsätzlich für jeden Mitgliedsstaat bei der von der Ausnahmeregelung des Art. 8 IV dieser Richtlinie vorausgesetzten Möglichkeit, in seinem Hoheitsgebiet seine nationalen Vorschriften über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung der Fahrerlaubnis zur Anwendung kommen zu lassen. Soweit im Hinblick auf materielle Eignungsvoraussetzungen die Richtlinie 91/439/EWG nur Mindestvoraussetzungen festlege, bestehe – anders als beim Wohnsitzerfordernis – keine ausschließliche Prüfungskompetenz des Ausstellungsstaates. Jedenfalls dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber seinen ordentlichen Wohnsitz gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland habe, könne die Fahrberechtigung im Inland im Falle der Nichteignung nach § 3 I 1 und 2 StVG i.V. mit § 46 I, V FeV aberkannt werden. Es ist jedoch ungewiss, ob sich eine dieser m. E. überzeugenden Begründungen für die verbleibende inhaltliche Prüfungskompetenz der deutschen Fahrerlaubnisbehörden durchsetzt und ob sie auch bei einer erneuten Entscheidung des EuGH Bestand haben werden. Deshalb bleibt abschließend festzustellen, dass ein „Führerscheintourismus“ problematischer Führerscheinbewerber durchaus nicht den Intentionen des europäischen Rechts entspricht. Das in der Entscheidung des EuGH im Mittelpunkt stehende Wohnsitzprinzip bedeutet, dass man nur dort einen Führerschein rechtmäßig erwerben kann, wo man seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat, Art. 7 I lit. b der Richtlinie 91/439/EWG. Stellt eine Behörde des Aufnahmestaats fest, dass diese Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, so muss sie die Fahrerlaubnis zwar zunächst einmal anerkennen, sie ist aber nach Art. 12 III 363 BLUTALKOHOL VOL. 42/2005
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Heinz Schöch,<br />
Probleme der Fahrsicherheit <strong>und</strong> Fahreignung bei Substitutionspatienten<br />
Verstoß <strong>gegen</strong> Art. 1 II i.V. mit Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG – z. B. vorschreiben,<br />
dass die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung eines – positiven – ärztlichen<br />
oder medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig sei <strong>und</strong> dass deren Fehlen<br />
der Anerkennung einer <strong>im</strong> Ausland nach Ablauf einer Sperrfrist erworbenen Fahrerlaubnis<br />
ent<strong>gegen</strong>gehalten werden könne 30 ).<br />
Der VGH Baden-Württemberg hat in einem Urteil vom 12. 10. 2004 31 ) auf die Ermächtigung<br />
des Art. 8 IV 1 der Richtlinie 91/439/EWG hingewiesen, von welcher der<br />
deutsche Gesetzgeber gerade durch die Regelungen in § 28 IV Nr. 3 i.V. mit Abs. 5 FeV<br />
Gebrauch gemacht habe. Das erst seit 01. 09. 2002 in § 28 V FeV verankerte Erfordernis<br />
einer innerstaatlichen Entscheidung bezüglich der Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis<br />
nach früherer Entziehung, das vom EuGH nicht beanstandet worden sei, stelle<br />
zugleich sicher, dass die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis nicht auf unbest<strong>im</strong>mte Zeit<br />
versagt werde. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG<br />
könne dem aufnehmenden Staat eine Prüfung nicht untersagt werden, ob die ursprünglich<br />
für die Entziehung oder Versagung maßgeblichen Gründe noch fortbestehen.<br />
Nach einem Beschluss des VG München vom 13. 01. <strong>2005</strong> 32 ) hat die Verwaltungsbehörde<br />
gemäß § 3 I 1, 2 StVG i.V. mit § 46 V 2 FeV dem Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis,<br />
der sich als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erweist, das Recht<br />
abzuerkennen, von der Fahrerlaubnis <strong>im</strong> Inland Gebrauch zu machen. Gemäß § 46 III i.V.<br />
mit § 11 VIII FeV dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen<br />
schließen, wenn dieser eine nach den §§ 11 bis 14 FeV verlangte Fahreignungsbegutachtung<br />
verweigere. Selbst wenn – ent<strong>gegen</strong> der Ausführungen GEIGERS <strong>und</strong> des VGH Baden-<br />
Württemberg – § 28 IV Nr. 3 FeV wegen ent<strong>gegen</strong>stehenden Gemeinschaftsrechts unanwendbar<br />
wäre, stelle jedenfalls ein Vorgehen nach diesen Normen keinen Verstoß <strong>gegen</strong><br />
die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur <strong>gegen</strong>seitigen Anerkennung von Führerscheinen<br />
dar. Trotz des Anerkennungsgebots des Art. 1 II der Richtlinie 91/439/EWG verbleibe<br />
es gr<strong>und</strong>sätzlich für jeden Mitgliedsstaat bei der von der Ausnahmeregelung des<br />
Art. 8 IV dieser Richtlinie vorausgesetzten Möglichkeit, in seinem Hoheitsgebiet seine<br />
nationalen Vorschriften über den Entzug, die Aussetzung <strong>und</strong> die Aufhebung der Fahrerlaubnis<br />
zur Anwendung kommen zu lassen. Soweit <strong>im</strong> Hinblick auf materielle Eignungsvoraussetzungen<br />
die Richtlinie 91/439/EWG nur Mindestvoraussetzungen festlege, bestehe<br />
– anders als be<strong>im</strong> Wohnsitzerfordernis – keine ausschließliche Prüfungskompetenz des<br />
Ausstellungsstaates. Jedenfalls dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber seinen ordentlichen<br />
Wohnsitz <strong>gegen</strong>wärtig in der <strong>B<strong>und</strong></strong>esrepublik Deutschland habe, könne die Fahrberechtigung<br />
<strong>im</strong> Inland <strong>im</strong> Falle der Nichteignung nach § 3 I 1 <strong>und</strong> 2 StVG i.V. mit<br />
§ 46 I, V FeV aberkannt werden.<br />
Es ist jedoch ungewiss, ob sich eine dieser m. E. überzeugenden Begründungen für die<br />
verbleibende inhaltliche Prüfungskompetenz der deutschen Fahrerlaubnisbehörden durchsetzt<br />
<strong>und</strong> ob sie auch bei einer erneuten Entscheidung des EuGH Bestand haben werden.<br />
Deshalb bleibt abschließend festzustellen, dass ein „Führerscheintourismus“ problematischer<br />
Führerscheinbewerber durchaus nicht den Intentionen des europäischen Rechts<br />
entspricht. Das in der Entscheidung des EuGH <strong>im</strong> Mittelpunkt stehende Wohnsitzprinzip<br />
bedeutet, dass man nur dort einen Führerschein rechtmäßig erwerben kann, wo man seinen<br />
tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat, Art. 7 I lit. b der Richtlinie 91/439/EWG. Stellt eine<br />
Behörde des Aufnahmestaats fest, dass diese Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, so<br />
muss sie die Fahrerlaubnis zwar zunächst einmal anerkennen, sie ist aber nach Art. 12 III<br />
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