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Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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Supplement II<br />

schaftlich die umfangreichsten Erfahrungen vorliegen, auf denen auch die analytischen Richtlinien beruhen.<br />

Speichel <strong>und</strong> Körperschweiß haben sich in jüngerer Zeit in der <strong>Drogen</strong>analytik auch etabliert, jedoch gibt es derzeit<br />

hier noch technische <strong>und</strong> interpretatorische Probleme.<br />

Der vorliegende Beitrag soll nur kurz gefasst die Einsatzmöglichkeiten von Blut, Urin <strong>und</strong> Haaren als Untersuchungsmaterial<br />

bei der Fahreignungsdiagnostik beschreiben, die ausführlichen Darlegungen sind in den inzwischen<br />

veröffentlichen Beurteilungskriterien in Kap. 7 zu lesen.<br />

Blutprobe:<br />

Das Blut ist pharmakokinetisch das Kompart<strong>im</strong>ent, welches dem Wirkkompart<strong>im</strong>ent (Gehirn) psychoaktiver<br />

Stoffe neben der Rückenmarkflüssigkeit am nächsten liegt <strong>und</strong> somit die am Wirkort vorliegende Konzentration am<br />

ehesten reflektiert, wobei zwischen Blut <strong>und</strong> Gewebekonzentrationen je nach Stoffeigenschaft <strong>im</strong>mer noch große<br />

Unterschiede bestehen können. Es hat den Vorteil, dass es von allen Untersuchungsmaterialien am wenigsten verfälschbar<br />

ist, es spiegelt die aktuelle Beeinflussung am besten wider, jedoch mit dem für die Fahreignungsfragen bestehenden<br />

Nachteil einer sehr beschränkten, <strong>im</strong> St<strong>und</strong>enbereich liegenden Nachweisbarkeit psychotroper Stoffe.<br />

Analytisch sind heute die meisten gebräuchlichen Rauschmittel sowie auch deren Metabolite gut <strong>und</strong> empfindlich<br />

nachweisbar. Beschränkt sich die Fahreignungsproblematik ausschließlich auf Cannabinoide, so können<br />

<strong>im</strong> Blut bzw. Serum gemessene THC, Hydroxy-THC <strong>und</strong> THC-carbonsäurekonzentrationen Aufschluss über<br />

Konsumgewohnheiten geben. Allerdings ist die Ladungsfrist zur Blutentnahme von 8 Tagen, wie sie in Nordrhein-Westfalen<br />

vorgegeben wird, nach unserer Auffassung erheblich zu lang, eine Frist von 24 St<strong>und</strong>en wäre zu<br />

fordern <strong>und</strong> auch, wie Erfahrungen einiger MPU-Stellen zeigen, pragmatisch realisierbar.<br />

Urinprobe:<br />

Die Urinprobe ist in der Labormedizin sowie in der Forensischen Toxikologie das klassische Untersuchungsmaterial.<br />

Bereits <strong>im</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert diente sie diagnostischen Zwecken (LAURENTIUS FRIES, 1546). Auch heute<br />

hat sie in der Diagnostik ungebrochene Bedeutung.<br />

Pharmakokinetisch ist Urin das Ausscheidungskompart<strong>im</strong>ent, aus dem man die kumulative El<strong>im</strong>ination von<br />

aufgenommenen Stoffen ermitteln kann. Die meisten <strong>im</strong>munchemischen Verfahren zum Nachweis von Pharmaka<br />

<strong>und</strong> Suchtstoffen <strong>und</strong> insbesondere deren Abbaustoffe wurden auf der Matrix Urin etabliert.<br />

Aber auch die chromatographischen Analysentechniken mit vorangehenden Extraktionstechniken wurden als<br />

erstes an der Urinprobe adaptiert. Analytisch ist die Urinprobe heute noch das am einfachsten zu beherrschende<br />

Untersuchungsmaterial. Die Nachweisbarkeit von den für die Fahreignungsdiagnostik bedeutenden Rauschmitteln<br />

<strong>und</strong> Pharmaka ist <strong>im</strong> Urin <strong>im</strong> Bereich von Tagen bis Wochen sehr gut. Diesen Vorteilen steht die relativ leichte<br />

Manipulierbarkeit der Matrix zur Erschwerung bis Verhinderung des Nachweises nachteilig <strong>gegen</strong>über, so dass<br />

es eines nicht unerheblichen Kontrollaufwandes zur Erkennung einer Verfälschung bedarf.<br />

Aus rationalen <strong>und</strong> ökonomischen Gründen werden instrumentengestützte <strong>im</strong>munchemische Verfahren an<br />

Urinproben eingesetzt <strong>und</strong> positive Bef<strong>und</strong>e dann einer beweissicheren Analyse wie der GC-MS oder LC-MS<br />

zugeführt. Für die Fahreignungsdiagnostik ist es besonders wichtig, einheitliche Kriterien für die definierten<br />

Schwellenwerte der Positivität festzulegen, nicht zuletzt mit dem wichtigen Postulat, dass es keine falsch negativen<br />

Ergebnisse geben darf. Da viele Produkte aus dem amerikanischen Markt stammen, werden die von der<br />

NIDA vorgegebenen Cutoffwerte von den Herstellern übernommen, die aber für die Fahreignungsdiagnostik viel<br />

zu hoch angesiedelt sind.<br />

Nach unserer Auffassung muss ein Nachweisverfahren eine möglichst niedrige Schwelle für die Entscheidung<br />

„positiv“ haben. Erst dann kann man gutachterlich darüber befinden, ob nach Bestätigung des <strong>im</strong>munchemischen<br />

Bef<strong>und</strong>es z. B. bei Cannabis ein „Passivkonsum“ für den positiven Analysenbef<strong>und</strong> verantwortlich sein kann<br />

oder nicht. Ein noch so niedriger THC-Carbonsäurewert beweist schließlich, dass der Proband THC in das zentrale<br />

Kompart<strong>im</strong>ent Blut aufgenommen hat. Alles Weitere ist dann die gutachterliche Würdigung des Bef<strong>und</strong>es.<br />

Haarprobe:<br />

In der Forensischen Toxikologie hat in den letzten 15 bis 20 Jahren die Analytik von Haarproben zum Nachweis<br />

von körperfremden Stoffen, insbesondere der Rauschmittel, einen heute nicht mehr wegzudrängenden<br />

Stellenwert erreicht. Pharmakokinetisch sind die Körperhaare ein Ausscheidungskompart<strong>im</strong>ent, da die darin eingelagerten<br />

Stoffe außerhalb der Wirkkompart<strong>im</strong>ente sind. Die Haaranalyse hat durch spektakuläre Nachweise<br />

von Rauschdrogen wie Kokain bei prominenten Personen eine hohe Popularität erreicht. Die Haaranalytik <strong>und</strong><br />

deren Ergebnisprodukte sind <strong>gegen</strong>wärtig noch intensiv Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Wegen der<br />

Illegalität der meisten Analyten ist eine systematische pharmakokinetische Forschung an Haarproben zur Ermittlung<br />

von Dosis-Konzentrationsbeziehungen in Deutschland sehr erschwert bzw. unmöglich. Gleichwohl haben<br />

sich empirische Erkenntnisse an einer großen Zahl von Haaranalysen ergeben, auf die sich eine Reihe auch für<br />

die Fahreignungsdiagnostik wichtiger Bewertungskriterien stützen.<br />

Inzwischen gibt es auch von verschiedenen Fachgesellschaften erarbeitete Richtlinien für die Haaranalytik<br />

(GTFCH, SHT), die für den Umgang mit dieser vergleichsweise aufwändigen Technik richtungsweisend sind.<br />

Es soll an dieser Stelle betont werden, dass es nicht sinnvoll ist, die hier besprochenen Untersuchungsmaterialien<br />

wertend miteinander zu vergleichen („Haaranalyse ist besser als Urinanalyse“).<br />

Alle Matrices haben ihre schlagenden Vorteile aber auch ihre Grenzen. Die Auswahl des Materials <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Fahreignungsdiagnostik muss sich nach den individuellen Gegebenheiten be<strong>im</strong> zu begutachtenden Proban-<br />

41<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong>

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