10.12.2012 Aufrufe

Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

22 Supplement II<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong><br />

Obergutachterstelle des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

EGON STEPHAN<br />

Grenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten der medizinischen <strong>und</strong> psychologischen<br />

Diagnostik be<strong>im</strong> Erkennen von <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit in der Begutachtung<br />

von alkoholauffälligen Kraftfahrern<br />

1. Einführung in die Problemstellung <strong>und</strong> einschlägige Thesen<br />

Unter Fachleuten besteht Einigkeit darüber, dass die Diagnose von <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit <strong>im</strong> therapeutischen<br />

Bereich, also in Situationen, in denen Personen wegen der großen Probleme, die sie aus eigener Sicht oder<br />

zumindest aus der Sicht ihrer sozialen Umwelt mit dem <strong>Alkohol</strong>konsum haben, sehr schwierig ist. Dies<br />

ist so, obwohl die Betroffenen Hilfe suchen <strong>und</strong> deshalb aus eigenem Interesse um ehrliche <strong>und</strong> offene Mitarbeit<br />

bemüht sind. In der Begutachtungssituation für alkoholauffällige Kraftfahrer sind die Probleme noch<br />

ungleich größer, weil hier nicht mit einer entsprechenden Bereitschaft zur offenen <strong>und</strong> ehrlichen Mitarbeit gerechnet<br />

werden kann. Diese zentrale Aussage soll <strong>im</strong> Folgenden belegt werden. Um die verschiedenen<br />

Argumentationsbereiche besser zu gliedern, werden <strong>im</strong> nächsten Schritt die Aussagen zunächst in Thesenform<br />

präsentiert.<br />

Thesen zu den diagnostischen Möglichkeiten, eine <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit in Untersuchungen zur Fahreignung<br />

zu erkennen:<br />

1. Es gibt kein körperliches Substrat der <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit. Die körperlichen Bef<strong>und</strong>e sind – selbst dann,<br />

wenn sich „typische Körperschäden“ bei einer Person häufen – allenfalls geeignet, die (denkbare gemeinsame)<br />

Ursache der Schädigungen durch „chronisch hohe <strong>Alkohol</strong>aufnahme“ wahrscheinlich oder auch sehr wahrscheinlich<br />

zu machen, können diese aber eben nicht beweisen. Die Diagnose „<strong>Alkohol</strong>abhängigkeit“ ist<br />

also allein auf der Basis körperlicher Bef<strong>und</strong>e (z. B. durch Leberbiopsie, Leberfunktionswerte) de facto nicht<br />

möglich.<br />

2. Die Diagnose „<strong>Alkohol</strong>abhängigkeit/<strong>Alkohol</strong>erkrankung“ ist unter den geltenden Bedingungen <strong>im</strong> therapeutischen<br />

Bereich das Ergebnis eines recht komplexen, von subjektiven Kriterien der Diagnostiker<br />

abhängigen <strong>und</strong> darüber hinaus von instabilen gesamtgesellschaftlichen Einflüssen geprägten Bewertungsprozesses.<br />

3. In der Fahreignungsbegutachtung sind die diagnostischen Rahmenbedingungen für die Gutachter noch weit<br />

schwieriger, denn ent<strong>gegen</strong> landläufiger Annahmen bilden sich körperliche Folgeschäden auch bei vielen<br />

schwer <strong>und</strong> lange alkoholabhängigen Personen binnen kurzem zurück, wenn der <strong>Alkohol</strong>konsum eingestellt<br />

wird. Abgesehen von den so genannten Spiegeltrinkern, sind daher die meisten <strong>Alkohol</strong>kranken bei Vorbereitungen<br />

für die Begutachtung in der Lage, durch Trinkpausen ihre körperliche Bef<strong>und</strong>lage gezielt zu manipulieren.<br />

4. Wegen der außergewöhnlich hohen Reversibilität der meisten alkoholbedingten Folgeschäden kann aus dem<br />

momentanen Fehlen entsprechender Bef<strong>und</strong>e kein zwingender Schluss auf eine nicht gegebene <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit<br />

gezogen werden. Ebenso wenig ist es möglich daraus abzuleiten, dass auch – abgesehen von den<br />

Trinkpausen – kein <strong>Alkohol</strong>missbrauch in jüngster Zeit bestand.<br />

5. Die Einstellungs- <strong>und</strong> Verhaltensindikatoren für <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit, die in Therapiesituationen gewonnen<br />

werden können <strong>und</strong> die regelmäßig Basis der Diagnose Abhängigkeit sind, lassen sich in der Begutachtungssituation<br />

nur in Ausnahmefällen gewinnen. Dies liegt daran, dass die notwendigen Informationen in der<br />

psychologischen <strong>und</strong> der ärztlichen Exploration nur dann gewonnen werden können, wenn die Betroffenen bereits<br />

ein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt haben <strong>und</strong> wenn sie darüber hinaus auch noch zu der<br />

notwendigen offenen Mitarbeit bereit sind. Mit dieser notwendigen Offenheit kann be<strong>im</strong> Kampf um die Fahrerlaubnis<br />

gerade nicht gerechnet werden.<br />

6. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zu beachten, dass der Inhalt der Eignungsbegutachtung eine Verhaltens- <strong>und</strong> nicht etwa eine<br />

Krankheitsprognose ist, hierbei kommt es entscheidend auf Motivationsanalyse <strong>und</strong> die Erforschung von Einstellung<br />

<strong>und</strong> Persönlichkeit (z. B. emotionale Labilität/Stabilität) an. Auch insoweit wird die prognostische Bedeutung<br />

körperlicher Bef<strong>und</strong>e essentiell eingeschränkt.<br />

7. Angesichts der geringen Chancen, eine bestehende <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit in der Begutachtungssituation zu erkennen,<br />

ist es <strong>im</strong> Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit sinnvoll <strong>und</strong> notwendig, von der objektiv festgestellten/aktenk<strong>und</strong>igen<br />

Giftfestigkeit (hohe BAK/AAK) auszugehen <strong>und</strong> zu überprüfen, ob der Betroffene<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Konsequenzen dieser Giftfestigkeit (fehlende körperliche <strong>und</strong> geistige Sensibilität für<br />

die akute <strong>Alkohol</strong>isierung) in der Lage ist, in Zukunft Fahrten unter unzulässig hohem <strong>Alkohol</strong>einfluss zu vermeiden.<br />

In der Regel kann dies nur bei konsequenter <strong>Alkohol</strong>abstinenz auch unabhängig von geplanten Fahrten<br />

erwartet werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!