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Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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§§ 69, 69a StGB regelmäßig in Betracht kommen,<br />

wenn aufgr<strong>und</strong> objektiver Umstände bei der Tat mit<br />

alsbaldiger Verfolgung <strong>und</strong> Flucht zu rechnen war <strong>und</strong><br />

der Täter daher eine verkehrsgefährdende Verwendung<br />

des fluchtbereit tatortnah abgestellten Kraftfahrzeugs<br />

ersichtlich geplant hat oder mit einer solchen naheliegend<br />

rechnen mußte. Ebenso dürfte jedenfalls in den<br />

Fällen gewaltsamer Entführung des Opfers <strong>im</strong> Kraftfahrzeug<br />

des Täters die Verkehrssicherheit regelmäßig<br />

gefährdet sein.<br />

Andererseits versteht es sich nicht von selbst, daß<br />

ein Täter, der durch die Begehung schwerwiegender<br />

oder wiederholter Straftaten zweifellos charakterliche<br />

Mängel offenbart hat, zugleich eine Gefahr für die Verkehrssicherheit<br />

darstellt. So liegt dies etwa bei der bloßen<br />

Nutzung eines Kraftfahrzeugs zur Suche nach Tatobjekten<br />

oder Tatopfern nicht nahe. Auch in den<br />

Kurierfällen, in denen der Täter <strong>im</strong> Fahrzeug Rauschgift<br />

transportiert, sind Belange der Verkehrssicherheit<br />

nicht ohne weiteres berührt. Ein allgemeiner Erfahrungssatz,<br />

daß Transporteure von Rauschgift <strong>im</strong><br />

Fall von Verkehrskontrollen zu besonders riskanter<br />

Fahrweise entschlossen sind, besteht nicht (vgl.<br />

BGH NStZ 2003, 311; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung<br />

14). Dies gilt jedenfalls dann, wenn besondere<br />

Vorkehrungen <strong>gegen</strong> eine Entdeckung des Rauschgifts,<br />

etwa durch Benutzung besonders präparierter<br />

Verstecke, getroffen worden sind. Für den Transport<br />

von Diebes- oder Schmuggelgut gilt nichts anderes.<br />

Die Frage, ob in solchen Fällen des Mißbrauchs<br />

eines Kraftfahrzeugs zur Durchführung einer Straftat<br />

die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

vorliegen, weil der Täter mit seinem Vorgehen<br />

auch die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt<br />

hat (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 StGB), bleibt dahingestellt.<br />

g) Die Beurteilung der Eignungsfrage <strong>im</strong> Sinne des<br />

§ 69 Abs. 1 StGB liegt in erster Linie in der Verantwortung<br />

des Tatrichters, der diese Aufgabe aufgr<strong>und</strong><br />

einer Gesamtwürdigung aller dafür „aus der Tat“ erkennbar<br />

gewordenen rechtserheblichen Anknüpfungstatsachen<br />

vorzunehmen hat (st. Rspr.; vgl. BGHR<br />

StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4, 5). Indem das Gesetz<br />

den Tatrichter bei der Prüfung, ob verkehrssicherheitsrelevante<br />

charakterliche Mängel des Täters zutage<br />

getreten sind, auf die ohnehin von ihm zur Schuld<strong>und</strong><br />

Straffrage aufzuklärenden <strong>und</strong> zu bewertenden<br />

Umstände „aus der Tat“ verweist, weist es ihm für die<br />

Fahreignungsbeurteilung gr<strong>und</strong>sätzlich auch die eigene<br />

Sachk<strong>und</strong>e (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) zu. Deshalb<br />

können etwaige Beweisanträge auf sachverständige<br />

Begutachtung zur charakterlichen Fahreignung regelmäßig<br />

von vornherein schon mit dieser Begründung<br />

zurückgewiesen werden.<br />

h) In den schriftlichen Urteilsgründen (§ 267 Abs. 6<br />

StPO) ist das Ergebnis der Fahreignungsbeurteilung in<br />

einer Weise niederzulegen, die es dem Revisionsgericht<br />

ermöglicht zu prüfen, ob die Entscheidung in den<br />

festgestellten tat- <strong>und</strong> täterbezogenen Umständen eine<br />

tragfähige Gr<strong>und</strong>lage findet. Ordnet der Tatrichter bei<br />

Zusammenhangstaten Maßregeln nach §§ 69, 69a<br />

Rechtsprechung<br />

315<br />

StGB an, so muß sich aus den Urteilsgründen seine<br />

Überzeugung ergeben, daß die festgestellten Umstände<br />

den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle<br />

eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs<br />

dar. Welche Anforderungen an die Begründung<br />

sich insoweit für den Tatrichter ergeben, best<strong>im</strong>mt<br />

sich nach den Umständen des Einzelfalls.<br />

Jedenfalls wird an Begründungsaufwand nicht mehr<br />

verlangt als bei jeder anderen Rechtsfolgenentscheidung,<br />

der prognostische Elemente innewohnen.<br />

(Mitgeteilt vom 4. Strafsenat des <strong>B<strong>und</strong></strong>esgerichtshofes,<br />

Karlsruhe)<br />

Anmerkung:<br />

Der Große Senat hat die Streitfragen strukturiert.<br />

Viele relevante Fragen sind so herausgearbeitet, dass<br />

man sich darüber nicht mehr streiten soll. Die Kernfrage<br />

indes: Wann folgt aus der Anlasstat die Ungeeignetheit<br />

des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen<br />

wegen verkehrssicherheitsrelevanter Charaktermängel?<br />

ist nach wie vor nicht richtungsweisend<br />

beantwortet.<br />

Vom Rechtsanwender nicht mehr zu diskutieren ist<br />

Folgendes: Schutzzweck der Maßregel ist allein die<br />

Sicherheit des Straßenverkehrs. § 69 StGB dient nicht<br />

der allgemeinen Kr<strong>im</strong>inalitätsbekämpfung. Allgemeiner<br />

Rechtsgüterschutz wird damit nicht bezweckt.<br />

Bedeutsam ist die Betonung bereits <strong>im</strong> Tenor der<br />

Entscheidung, dass der Streit über die in der Anlasstat<br />

erkennbare fehlende Eignung nur in der Variante 2 des<br />

§ 69 Abs. 1 Satz 2 StGB, nämlich bei Fällen, die <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs<br />

stehen, akut wird. Den Alternativen 1 – be<strong>im</strong> Führen –<br />

<strong>und</strong> 3 – unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers<br />

– ist ein spezifischer Zusammenhang von<br />

Anlasstat <strong>und</strong> Verkehrssicherheit <strong>im</strong>manent. Nur die<br />

Variante 2 bietet Raum für eine Diskussion, wie eng<br />

die Verbindung von Anlasstat <strong>und</strong> Verkehrssicherheit<br />

sein muss. Die Masse der vor den Amtsgerichten<br />

zu verhandelnden Verkehrsstrafsachen betrifft die<br />

Varianten 1 <strong>und</strong> 3; dort wirkt sich die Entscheidung<br />

des Großen Senats nicht aus.<br />

Es ist einerseits der selbstständige Schutzzweck der<br />

Variante 2 <strong>im</strong> Verhältnis zu den Varianten 1 <strong>und</strong> 3,<br />

auch Fälle zu erfassen, in denen die Zuwiderhandlung<br />

nicht eng an die Verletzung von Verkehrssicherheitsbelangen<br />

angelehnt ist. Gleichzeitig begründet aber<br />

auch dieses <strong>im</strong> Verhältnis zu den Varianten 1 <strong>und</strong> 2<br />

sehr viel umfassendere <strong>und</strong> weniger best<strong>im</strong>mte Geschehen<br />

die Notwendigkeit, bei der perspektivischen<br />

Beurteilung der Eignungsfrage enger auf die Verkehrssicherheit<br />

zu schauen <strong>und</strong> auf Automatismen zu verzichten.<br />

Diese Wechselwirkung wird vom Großen<br />

Senat besonders betont. Es wird auch gesagt, es bestehe<br />

kein Anlass, den Begriff der Zusammenhangstat<br />

enger als bisher <strong>und</strong> anders als denselben für das<br />

Fahrverbot maßgeblichen Begriff in § 44 StGB zu best<strong>im</strong>men.<br />

Dem kann nur gefolgt werden, denn sonst<br />

verlöre die Variante 2 in § 69 Abs. 1 Satz 2 ihre eigenständige<br />

Bedeutung. Der Beschreibung der Anlasstat<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong>

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