10.12.2012 Aufrufe

Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

256 Rechtsprechung<br />

das Argument nicht, da die Hypothese der Strafkammer,<br />

wonach einem anderen Angeklagten bei gleichen<br />

Tatumständen aber fehlender öffentlicher Aufmerksamkeit<br />

die Strafaussetzung gewährt werden würde,<br />

unzutreffend ist.<br />

Auch in der abschließenden Erwägung der Kammer,<br />

dass „strafrechtliche Musterprozesse ‹...› nicht<br />

geführt“ würden, ist kein verwertbares Argument<br />

dafür zu erkennen, dass die Verteidigung der Rechtsordnung<br />

hier einer Strafaussetzung nicht ent<strong>gegen</strong>steht.<br />

Was die Kammer mit dieser Formulierung zum<br />

Ausdruck bringen will, kann der Senat schlechterdings<br />

nicht nachvollziehen.<br />

(2) Ent<strong>gegen</strong> der Ansicht des Landgerichts sprechen<br />

gerade <strong>im</strong> vorliegenden Fall gewichtige Gründe dafür,<br />

dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung<br />

der einjährigen Gesamtfreiheitsstrafe gebietet.<br />

Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist hier die Schwere<br />

der Schuld des Angeklagten. Zwar kann sie für sich gesehen<br />

eine Versagung der Bewährung nicht rechtfertigen,<br />

ihr kommt jedoch bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung<br />

erhebliche Bedeutung zu (BGHSt 24,<br />

40, 47; OLG Koblenz VRS 59, 339, 340; OLG Karlsruhe<br />

NStZ 2003, 246, 247).<br />

Das Landgericht hat dazu <strong>im</strong> Rahmen seiner Strafzumessung<br />

ausgeführt:<br />

„Strafschärfend hat sich die Rücksichtslosigkeit<br />

des Angeklagten bei der Führung seines Pkw auswirken<br />

müssen. Sie kommt in dem Ausmaß der<br />

Überschreitung der gebotenen Geschwindigkeit<br />

zum Ausdruck <strong>und</strong> ist schon fast unbegreiflich. Der<br />

Tag des Geschehens war der Sonnabendabend des<br />

größten Volksfestes <strong>im</strong> Land. Die Straßen gerade in<br />

Hafennähe waren gefüllt mit Menschen. Überall<br />

<strong>und</strong> jederzeit konnten Kinder, Jugendliche, Betrunkene,<br />

alte oder einfach nur unachtsame Menschen<br />

die Straßen betreten. In einer solchen Situation, die<br />

der Angeklagte sah, wäre bei dem Fußgängerüberweg<br />

bei der C.-Bank in der L.-Straße sogar ein Fahren<br />

mit weniger als 30 km/h selbstverständliche<br />

Pflicht gewesen.“<br />

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der<br />

Senat vollumfänglich zu eigen. Der Angeklagte handelte<br />

nahezu mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz,<br />

als er ent<strong>gegen</strong> § 26 Abs. 1 <strong>und</strong> 3 StVO mit völlig<br />

überhöhter Geschwindigkeit an der vor einem Fußgängerüberweg<br />

wartenden Fahrzeugkolonne links vorbeifuhr.<br />

Die Schuld, die er durch die Tat auf sich geladen<br />

hat, wiegt angesichts dessen schwer, was das sich anschließende<br />

unerlaubte Entfernen vom Unfallort noch<br />

unterstreicht.<br />

Hinzu tritt, dass gewichtige Umstände, die trotz<br />

Vorliegens schwerer Schuld <strong>im</strong> Einzelfall der Annahme<br />

des § 56 Abs. 3 StGB ent<strong>gegen</strong>stehen können, hier<br />

nicht gegeben sind. Nach der Rechtsprechung ist als<br />

solch ein Umstand zu werten, dass der Angeklagte<br />

durch den Unfall selbst schwer verletzt worden ist<br />

(BGH NJW 1990, 193, 194), ein erhebliches Mitverschulden<br />

des Opfers vorliegt (BGHSt 24, 64, 68; NStZ<br />

1994, 336) oder lediglich eine verkehrsarme <strong>und</strong> kurze<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong><br />

Strecke zurückgelegt werden soll (BGH a. a. O.).<br />

Diese Umstände liegen hier gerade nicht vor. Den Geschädigten<br />

trifft nach den Feststellungen – er überquerte<br />

die Straße auf einem Fußgängerüberweg – kein<br />

Mitverschulden an dem Unfall. Zwar kann <strong>im</strong> Einzelfall<br />

zugunsten des Täters Berücksichtigung finden,<br />

dass er nicht absolut, sondern „lediglich“ relativ fahruntüchtig<br />

war (BGH NJW 1990, 193, 194). Den Angeklagten<br />

vermag dies <strong>im</strong> Hinblick auf die konkreten<br />

Tatumstände jedoch nicht zu entlasten. Er hat sich<br />

grob verkehrswidrig <strong>und</strong> rücksichtslos verhalten <strong>und</strong><br />

ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit gezeigt.<br />

Dabei kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass<br />

ihm als Rechtsanwalt aufgr<strong>und</strong> seiner Kenntnisse die<br />

Tragweite seines Verhaltens in besonderer Weise bewusst<br />

sein musste. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kommt<br />

dem Grad seiner <strong>Alkohol</strong>isierung lediglich untergeordnete<br />

Bedeutung zu.<br />

Dass er sich letztlich gestellt <strong>und</strong> zur Aufklärung<br />

des Sachverhalts beigetragen hat, spricht für ihn.<br />

Ebenso wäre zu seinen Gunsten zu berücksichtigen,<br />

wenn er sich, was sich aus dem Bewährungsbeschluss<br />

des Landgerichts vom 05. 04. 2004 zu ergeben scheint,<br />

zu einer Therapie seiner <strong>Alkohol</strong>erkrankung entschlossen<br />

hätte. Selbst wenn der Senat jedoch auch<br />

diesen Umstand – der <strong>im</strong> Urteil des Landgerichts allerdings<br />

keine Erwähnung gef<strong>und</strong>en hat – in die Abwägung<br />

nach § 56 Abs. 3 StGB einbeziehen würde,<br />

müsste dieser die Persönlichkeit des Angeklagte betreffende<br />

Gesichtspunkt <strong>gegen</strong>über der festgestellten<br />

schweren Schuld zurück treten.<br />

cc) Nach alledem kann eine Gesamtwürdigung aller<br />

Tat <strong>und</strong> Täter kennzeichnenden Umstände hier nur zu<br />

der Feststellung führen, dass es bei der über die Tatumstände<br />

unterrichteten rechtstreuen Bevölkerung auf<br />

Unverständnis stoßen müsste <strong>und</strong> deren Vertrauen in<br />

die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert wäre,<br />

wenn die <strong>gegen</strong> den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe<br />

von einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt<br />

werden würde.<br />

Da weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind<br />

oder – was die nachtatliche <strong>Alkohol</strong>therapie des Angeklagten<br />

betrifft – jedenfalls keine andere Entscheidung<br />

rechtfertigen könnten, hat der Senat in der Sache selbst<br />

entschieden <strong>und</strong> die Strafaussetzung zur Bewährung in<br />

Wegfall gebracht.<br />

Anmerkung der Schriftleitung: Die<br />

vom Strafsenat in Bezug genommene Pressemitteilung<br />

des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern<br />

vom 08. Oktober 2004 lautet auszugsweise wie folgt:<br />

„Im letzten Jahr starben 24 Verkehrsteilnehmer<br />

durch Unfälle, bei denen als Ursache Fahren<br />

unter <strong>Alkohol</strong>einfluss festgestellt wurde. Damit<br />

wurde 2003 etwa jeder zwölfte Verkehrstote in<br />

Mecklenburg-Vorpommern Opfer eines <strong>Alkohol</strong>unfalls.<br />

Positiv ist allerdings, dass sowohl Anzahl<br />

als auch Anteil der Getöteten bei <strong>Alkohol</strong>unfällen<br />

den niedrigsten Wert seit zehn Jahren erreicht<br />

haben (1994: 24,3 % >>> 2003: 8,5 %, siehe Anlage).“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!