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Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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Auf diese für die Beurteilung nach § 56 Abs. 3 StGB<br />

wesentlichen Gesichtspunkte geht das Landgericht<br />

nicht ein. Es argumentiert vielmehr zum einen mit den<br />

allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen,<br />

denen eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung zuwiderlaufe.<br />

Auf diesen Gesichtspunkt ist maßgeblich<br />

abzustellen, wenn <strong>im</strong> Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB zu<br />

prüfen ist, ob die Aussetzung einer Freiheitsstrafe von<br />

mehr als einem Jahr in Betracht kommt (BGHSt 29,<br />

370, 371). Um einen solchen Fall geht es hier aber<br />

nicht.<br />

Zum anderen begründet das Landgericht seine Auffassung<br />

mit dem erheblichen Unrechts- <strong>und</strong> Schuldgehalt<br />

der Tat. Bei der Entscheidung über eine mögliche<br />

Versagung der Strafaussetzung trotz günstiger Täterprognose<br />

bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Tat<br />

<strong>und</strong> Täter kennzeichnenden Umstände. Dabei kann<br />

auch die Schwere der Schuld (mittelbar) Bedeutung<br />

erlangen. Sie kann für sich allein aber eine Versagung<br />

der Aussetzung nicht rechtfertigen (BGHSt 24, 40/44).<br />

Zwar erfordern die durch <strong>Alkohol</strong> <strong>im</strong> Straßenverkehr<br />

hervorgerufenen Gefahren <strong>und</strong> Schäden ein nachdrükkliches<br />

<strong>und</strong> energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden.<br />

Bei auf Trunkenheit zurückzuführenden<br />

Verkehrsvergehen mit schweren, insbesondere<br />

tödlichen Unfallfolgen wird deshalb die Versagung der<br />

Strafaussetzung häufig näher liegen als deren Bewilligung.<br />

Dennoch dürfen auch bei der Ahndung solcher<br />

Taten die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht<br />

außer Acht gelassen werden (BGHSt 24, 64, 67 [= BA<br />

1971, 225]; BGH NStZ 1994, 336 [= BA 1995, 61,<br />

190]; BayObLG VRS 69, 283, 284 [= BA 1985, 411]).<br />

Hieraus ergeben sich aber gerade <strong>im</strong> vorliegenden Fall<br />

<strong>im</strong> Vergleich zu einer typischen Trunkenheitsfahrt mit<br />

schwerwiegenden Folgen erhebliche Besonderheiten,<br />

die das Landgericht nicht hinreichend würdigt.<br />

Die nicht vorbestrafte Angeklagte hat eine <strong>Alkohol</strong>menge<br />

zu sich genommen, die zwar zu ihrer Fahruntüchtigkeit<br />

führte, aber mit 0,59 ‰, max<strong>im</strong>al 0,65 ‰,<br />

noch <strong>im</strong> unteren Bereich lag. Nach den Feststellungen<br />

des Landgerichts hat sich die Angeklagte nach dem<br />

<strong>Alkohol</strong>genuss zunächst hingelegt <strong>und</strong> sich erst ca.<br />

zwei St<strong>und</strong>en später entschlossen, ihren Kater, der erbrochen<br />

hatte, zum Tierarzt zu fahren. Sie hat also<br />

nicht in Fahrbereitschaft getrunken. Ohne den unglükklichen<br />

Umstand, dass Frau M. überraschend hinter<br />

dem Kraftfahrzeug der Angeklagten stürzte, wäre es<br />

nicht zu der Tat gekommen. Die Angeklagte leidet so<br />

stark unter den Folgen der Tat, dass sie sich in psychotherapeutische<br />

Behandlung begeben musste. Sie ist<br />

wegen ihres Alters besonders strafempfindlich. Auch<br />

wenn das Verhalten der Angeklagten schwere, nicht<br />

rückgängig zu machende Folgen hatte, die auf ihre <strong>Alkohol</strong>isierung<br />

zurückzuführen sind, <strong>und</strong> vor allem <strong>im</strong><br />

erneuten Überfahren in der Vorwärtsbewegung ein<br />

krasses Fehlverhalten zu sehen ist, stellt sich die Tat<br />

angesichts der festgestellten Umstände gleichwohl<br />

nicht als besonders rücksichtslose Missachtung der<br />

Rechtsordnung dar. Zum Tatgeschehen haben maßgeblich<br />

auch die Gedankenlosigkeit der Angeklagten<br />

<strong>und</strong> eine Verkettung unglücklicher Umstände beigetra-<br />

Rechtsprechung<br />

253<br />

gen. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen<br />

werden, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung<br />

auf völliges Unverständnis in der Bevölkerung stoßen<br />

<strong>und</strong> deren Rechtsgefühl <strong>und</strong> Rechtstreue ernstlich beeinträchtigt<br />

würde, wenn sie vom gesamten Tatgeschehen<br />

<strong>und</strong> allen täterbezogenen Umständen unterrichtet<br />

werden würde. Ein unabweisbares Bedürfnis, die Freiheitsstrafe<br />

zu vollstrecken, besteht daher nicht (vgl.<br />

OLG Karlsruhe DAR 2003, 325 ff.).<br />

Da das Landgericht die Voraussetzungen des § 56<br />

Abs. 1 StGB ausdrücklich bejaht hat, kann der Senat<br />

gemäß § 354 Abs. 1 StPO selbst aussprechen, dass die<br />

Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt<br />

wird.<br />

Das Landgericht wird <strong>im</strong> Beschlussweg Bewährungszeit<br />

<strong>und</strong> Bewährungsauflagen festzusetzen<br />

haben (§§ 56a, 56b, 56e StGB, §§ 268a, 453, 462a<br />

Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. BGH NJW 1990, 193, 194;<br />

KK/Engelhardt StPO 5. Aufl. § 268a Rn. 2).<br />

49.*) 1. Bei Trunkenheitsdelikten <strong>im</strong> Straßenverkehr<br />

mit tödlichen Folgen werden die Voraussetzungen<br />

der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung<br />

nach § 56 Abs. 3 StGB häufiger vorliegen<br />

als bei den meisten anderen Straftaten. Wer alkoholbedingt<br />

fahruntüchtig am Straßenverkehr teiln<strong>im</strong>mt,<br />

beschwört – in aller Regel bewußt – nicht<br />

mehr beherrschbare Gefahren für Leib <strong>und</strong> Leben<br />

anderer Verkehrsteilnehmer herauf. Solche mit<br />

einem erheblichen Maß an Verantwortungslosigkeit<br />

bewußt hervorgerufene Gefahren erfordern ein<br />

nachdrückliches <strong>und</strong> energisches Vorgehen der<br />

Strafverfolgungsbehörden, wobei bei tödlichem<br />

Ausgang – unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles<br />

– eine Versagung der Strafaussetzung häufig<br />

näher liegen wird als deren Bewilligung. Zwar<br />

steht dem Tatrichter bei der Frage, ob die Verteidigung<br />

der Rechtsordnung die Strafvollstreckung gebietet,<br />

ein Beurteilungsspielraum zu; nicht jedoch,<br />

wenn sie schlechterdings unvertretbar erscheint.<br />

2. Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf den<br />

Rechtsfolgenausspruch setzt die Tragfähigkeit des<br />

Schuldspruchs des angefochtenen Urteils voraus.<br />

Die Straffrage muß losgelöst von dem nicht angegriffenen<br />

Teil der Entscheidung rechtlich <strong>und</strong> tatsächlich<br />

beschränkt beurteilt werden können.<br />

Daran fehlt es, wenn das Urteil an offensichtlichen<br />

sachlichen Mängeln leidet, etwa wenn die tatsächlichen<br />

Feststellungen so knapp, unvollständig, unklar<br />

oder widersprüchlich sind, daß sie den Unrechts-<br />

oder Schuldgehalt nicht mehr ausreichend<br />

erkennen lassen <strong>und</strong> damit keine hinreichende<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Prüfung <strong>und</strong> Entscheidung des<br />

Berufungsgerichts über die Rechtsfolge sein können.<br />

Oberlandesgericht Rostock,<br />

Urteil vom 22. Oktober 2004 – 1 Ss 210/04 I 82/04 –<br />

– 14 Ns 8/04 (LG Rostock) –<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong>

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