Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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10.12.2012 Aufrufe

Dokumentation Die Abgabe der Atemprobe kann – anders als die Blutprobe – schlechterdings nicht erzwungen werden. Jedoch ist an eine Fiktion zu denken, dass die verweigerte Mitwirkung an der Atemalkoholmessung für einen konkreten Tatverdacht im Sinne des § 81a StPO genügt. Ebenso wie bei der Halterhaftung wäre auch hier dogmatisch bedenklich, wenn das völlige Schweigen des Betroffenen trotz des bestehenden Schuldstrafrechts die Vermutung erlaubt, der Betroffene habe etwas zu verbergen und mache sich dadurch bereits hinreichend tatverdächtig. Ein Verstoß gegen das Nemo-tenetur-Prinzip ist daher zu prüfen. Allerdings gibt es hier einen gravierenden Unterschied zur Halterhaftung, da es lediglich darum geht, die für eine erste Atemmessung erforderlichen Anzeichen einer Alkoholisierung zu ersetzen. Beim Alkoholvortest geht es nur darum, ob eine relevante Alkoholisierung am Steuer vorliegt oder ob dies gerade nicht der Fall ist. Ergibt der Vortest das Fehlen relevanter Alkoholmengen, hat dies keine weiteren Folgen für den Betroffenen. Nur wenn eine Alkoholisierung des Fahrers festgestellt wird, führt dies zum Anfangstatverdacht. Dieser ist für die weiter zu ergreifenden Maßnahmen erforderlich und ermöglicht die beweissichere Atemalkoholermittlung bzw. die Anordnung der Blutentnahme nach § 81a StPO. Die Folgen des unterstellten Anfangsverdachtes sind damit weitaus geringer als die Folgen der Halterhaftung mit der unterstellten Fahrereigenschaft, da dort der Tatnachweis gegenüber dem Halter als geführt anzusehen wäre. Unter diesen Vorzeichen ist die Frage der Verhältnismäßigkeit wohlwollend zu prüfen. Die Unfallursache Alkohol ist in besonderer Weise dadurch reduzierbar, dass durch eine hinreichend große Zahl von Kontrollen ein erhöhtes Entdeckungsrisiko geschaffen wird. Das Risiko, das von einem alkoholisierten Fahrer ausgeht, kann nicht den anderen Verkehrsteilnehmern aufgebürdet werden (HÖFLE VGT 1992, 325). Die Atemalkoholkontrolle wirkt sich – ebenso wie eine Geschwindigkeitskontrolle mit Anhalteposten – in hohem Maße verkehrserzieherisch aus, zumal dem Betroffenen der beweissicher erhobene Befund vorgehalten wird. Zudem dient die Atemalkoholkontrolle in besonderer Weise der Verkehrssicherheit, da die Weiterfahrt des Betroffenen unterbunden wird. Unter diesem Aspekt der Verhältnismäßigkeit ist die Atemalkoholerhebung besonders geeignet, die Zahl der Unfalltoten zu senken. Hinsichtlich der Bedenken wegen des Nemo-tenetur-Prinzips hilft die sog. Fahrtenbuchentscheidung des BVerfG (NJW 1982, 568): „Wer selbst die Freiheit des Straßenverkehrs in Anspruch nimmt und seine Sicherheit gewährleistet wissen will, dem können in den Grenzen der Grundrechte und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch Mitwirkungspflichten auferlegt werden, die gerade der Gewährleistung dieser Freiheit und Sicherheit für alle zu dienen bestimmt und geeignet sind.“ Der von einem Alkoholvortest betroffene Kraftfahrer ist selbst ein Teil der gesetzlich vor alkoholisierten Fahrern geschützten Gemeinschaft. Da die Werteordnung des Grundgesetzes die individuellen Rechte nicht absolut, sondern im Spannungsfeld mit den Rechten der Gemeinschaft sieht, müssen dogmatische Bedenken gegen eine verdachtsfreie Atemalkoholkontrolle zurückstehen. Die Schaffung eines verdachtsfreien Atemalkoholvortests benötigt Rechtsfolgen für die Nichtmitwirkung, um praktikabel zu sein. Die Mitwirkung an der Atemalkoholmessung ist nicht erzwingbar. Eine Bußgeldbewehrung für die verweigerte Mitwirkung (so BOUSKA VGT 1993, 122) erscheint ungeeignet, da hier dieselben Verfassungsgrundsätze wie bei der Halterhaftung verletzt würden. Zudem könnte sich der finanziell gut gestellte Fahrer, 135 BLUTALKOHOL VOL. 42/2005

136 Dokumentation der eine nicht unerhebliche Alkoholisierung bei sich vermutet, durch die bußgeldbewehrte Nichtmitwirkung einer Überprüfung seiner Fahreignung entziehen. Daher sollte die Nichtmitwirkung an der verdachtsfreien Atemalkoholmessung einen für § 81a StPO hinreichenden Tatverdacht begründen. Wer nicht freiwillig pusten will, muss auf eigene Kosten die Blutentnahme über sich ergehen lassen (vgl. NEHM VGT 1993, 153). Dies würde den kontrollierenden Polizeibeamten vor dem – wenn auch nur theoretischen – Risiko einer Strafanzeige wegen Körperverletzung bewahren, die nach geltender Rechtslage bei einer Anordnung der Blutentnahme ohne hinreichenden Tatverdacht droht. Eine fahrerlaubnisrechtliche Vermutung der fehlenden Eignung bei verweigerter Mitwirkung (so NEHM VGT 1993, 153) erscheint dann nicht mehr nötig. 3. Gurtanlegepflicht (…) 4. Sanktionen (…) 5. Zuständigkeiten Die Kommission verpflichtet sich unter Nr. 5 zur Ausarbeitung eines Richtlinienvorschlages für den Fall, dass bis Ende des dritten Jahres nach der Veröffentlichung dieser Empfehlungen erkennbar ist, dass das für 2010 gesteckte Ziel nicht erreicht wird. Spätestens bei dieser Ankündigung stellt sich die Frage, inwieweit Fragen der Verkehrssicherheit den freien Wirtschafts- und Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft beeinträchtigen können, da gerade hieraus eine Rechtsetzungskompetenz der Kommission begründet wird. (…) Anschrift des Verfassers: Rechtsanwalt Dr. Markus Schäpe Juristische Zentrale – Verkehrsrecht ADAC e.V. Am Westpark 8 81373 München BLUTALKOHOL VOL. 42/2005

Dokumentation<br />

Die Abgabe der Atemprobe kann – anders als die Blutprobe – schlechterdings nicht erzwungen<br />

werden. Jedoch ist an eine Fiktion zu denken, dass die verweigerte Mitwirkung<br />

an der Atemalkoholmessung für einen konkreten Tatverdacht <strong>im</strong> Sinne des § 81a StPO genügt.<br />

Ebenso wie bei der Halterhaftung wäre auch hier dogmatisch bedenklich, wenn das<br />

völlige Schweigen des Betroffenen trotz des bestehenden Schuldstrafrechts die Vermutung<br />

erlaubt, der Betroffene habe etwas zu verbergen <strong>und</strong> mache sich dadurch bereits hinreichend<br />

tatverdächtig. Ein Verstoß <strong>gegen</strong> das Nemo-tenetur-Prinzip ist daher zu prüfen.<br />

Allerdings gibt es hier einen gravierenden Unterschied zur Halterhaftung, da es lediglich<br />

darum geht, die für eine erste Atemmessung erforderlichen Anzeichen einer <strong>Alkohol</strong>isierung<br />

zu ersetzen. Be<strong>im</strong> <strong>Alkohol</strong>vortest geht es nur darum, ob eine relevante <strong>Alkohol</strong>isierung<br />

am Steuer vorliegt oder ob dies gerade nicht der Fall ist.<br />

Ergibt der Vortest das Fehlen relevanter <strong>Alkohol</strong>mengen, hat dies keine weiteren Folgen<br />

für den Betroffenen. Nur wenn eine <strong>Alkohol</strong>isierung des Fahrers festgestellt wird, führt<br />

dies zum Anfangstatverdacht. Dieser ist für die weiter zu ergreifenden Maßnahmen erforderlich<br />

<strong>und</strong> ermöglicht die beweissichere Atemalkoholermittlung bzw. die Anordnung der<br />

Blutentnahme nach § 81a StPO.<br />

Die Folgen des unterstellten Anfangsverdachtes sind damit weitaus geringer als die Folgen<br />

der Halterhaftung mit der unterstellten Fahrereigenschaft, da dort der Tatnachweis<br />

<strong>gegen</strong>über dem Halter als geführt anzusehen wäre. Unter diesen Vorzeichen ist die Frage<br />

der Verhältnismäßigkeit wohlwollend zu prüfen.<br />

Die Unfallursache <strong>Alkohol</strong> ist in besonderer Weise dadurch reduzierbar, dass durch eine<br />

hinreichend große Zahl von Kontrollen ein erhöhtes Entdeckungsrisiko geschaffen wird.<br />

Das Risiko, das von einem alkoholisierten Fahrer ausgeht, kann nicht den anderen Verkehrsteilnehmern<br />

aufgebürdet werden (HÖFLE VGT 1992, 325). Die Atemalkoholkontrolle<br />

wirkt sich – ebenso wie eine Geschwindigkeitskontrolle mit Anhalteposten – in hohem<br />

Maße verkehrserzieherisch aus, zumal dem Betroffenen der beweissicher erhobene Bef<strong>und</strong><br />

vorgehalten wird. Zudem dient die Atemalkoholkontrolle in besonderer Weise der<br />

Verkehrssicherheit, da die Weiterfahrt des Betroffenen unterb<strong>und</strong>en wird. Unter diesem<br />

Aspekt der Verhältnismäßigkeit ist die Atemalkoholerhebung besonders geeignet, die Zahl<br />

der Unfalltoten zu senken.<br />

Hinsichtlich der Bedenken wegen des Nemo-tenetur-Prinzips hilft die sog. Fahrtenbuchentscheidung<br />

des BVerfG (NJW 1982, 568): „Wer selbst die Freiheit des Straßenverkehrs<br />

in Anspruch n<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> seine Sicherheit gewährleistet wissen will, dem können in<br />

den Grenzen der Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit auch Mitwirkungspflichten<br />

auferlegt werden, die gerade der Gewährleistung dieser Freiheit <strong>und</strong><br />

Sicherheit für alle zu dienen best<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> geeignet sind.“<br />

Der von einem <strong>Alkohol</strong>vortest betroffene Kraftfahrer ist selbst ein Teil der gesetzlich vor<br />

alkoholisierten Fahrern geschützten Gemeinschaft. Da die Werteordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />

die individuellen Rechte nicht absolut, sondern <strong>im</strong> Spannungsfeld mit den Rechten der<br />

Gemeinschaft sieht, müssen dogmatische Bedenken <strong>gegen</strong> eine verdachtsfreie Atemalkoholkontrolle<br />

zurückstehen.<br />

Die Schaffung eines verdachtsfreien Atemalkoholvortests benötigt Rechtsfolgen für die<br />

Nichtmitwirkung, um praktikabel zu sein. Die Mitwirkung an der Atemalkoholmessung ist<br />

nicht erzwingbar. Eine Bußgeldbewehrung für die verweigerte Mitwirkung (so BOUSKA<br />

VGT 1993, 122) erscheint ungeeignet, da hier dieselben Verfassungsgr<strong>und</strong>sätze wie bei<br />

der Halterhaftung verletzt würden. Zudem könnte sich der finanziell gut gestellte Fahrer,<br />

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BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong>

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