Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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10.12.2012 Aufrufe

Dokumentation sein), ohne dass dem irgendeine gerichtliche Überprüfung vorangegangen wäre. Mag der Antrag dann auch abgelehnt werden, und mag das auch materiell zu Recht geschehen, so ändert das doch nichts an dem Skandal der faktischen Verweigerung des Rechtsschutzes durch Unterlassen bis zu der Entscheidung. Ich gebe zu, das ist ein juristischer Kalauer, aber es drängt sich die Idee auf, gegen solche Eingriffe durch Untätigkeit seitens der öffentlichen Gewalt Verwaltungsjustiz den Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG zu empfehlen – zur Erinnerung: Der führt zu (schnelleren) ordentlichen Gerichten. Im Ernst bleibt hier und mir nur der Appell an die Kollegen aus der Verwaltungsjustiz, diesem Missstand abzuhelfen, um das Vertrauen nicht zu verspielen, auf das die Justiz auch faktisch angewiesen ist. Dieser Streifzug über verstreute Probleme des Bereichs Verkehrsrecht mag Sie ein wenig zerstreut haben. Nun aber gilt es, sich wieder zu sammeln und zu konzentrieren, um sich einem Thema zuzuwenden, über dessen Wichtigkeit man nach dem tatsächlich doch noch erfolgten Beginn der Maut-Kontrollen auf deutschen Autobahnen kein Wort mehr zu verlieren braucht, und für dessen Behandlung wir einen Redner gewinnen konnten, dessen Name schon beinahe für das Thema „Datenschutz“ steht. Ich freue mich, Ihre Aufmerksamkeit erbitten zu dürfen für den Vortrag von Herrn Professor Dr. Dr. h. c. SPIROS SIMITIS über „Maut- Videoüberwachung, was ist uns der Datenschutz noch wert?“ Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages Prof. Dr. Friedrich Dencker, Münster 131 BLUTALKOHOL VOL. 42/2005

132 Dokumentation BLUTALKOHOL VOL. 42/2005 Arbeitskreis IV: Verkehrsüberwachung in Deutschland und Europa * ) MARKUS SCHÄPE Verfassungsrechtliche Würdigung der Empfehlung 2004/345/EG ** ) Alle Bemühungen um eine Verbesserung der Verkehrssicherheit sind zunächst begrüßenswert. Dies gilt auch für das hochgesteckte Ziel der Kommission, die Zahl der tödlichen Unfälle bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Bezweifelt werden muss jedoch, ob dieses Ziel mit den vorgeschlagenen Durchsetzungsmaßnahmen erreicht werden kann. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Hauptunfallursachen auf, nämlich der Geschwindigkeitsüberschreitung, des Führens von Kraftfahrzeugen unter Alkohol und der Nichtverwendung von Rückhalteeinrichtungen, also Sicherheitsgurt und Kindersitz. Würden diese Risikofaktoren konsequent angegangen, wäre – so die Kommission – bereits mehr als die Hälfte des angestrebten Unfallrückgangs erreicht. Diese Vorgaben wecken große Erwartungen, erscheinen sie doch als Patentlösung für die Verkehrssicherheitsarbeit. Die nähere Betrachtung der Kommissionsempfehlungen (2004/345/EG) zeigt jedoch, dass deren Ansätze nicht das versprochene Allheilmittel sind, sondern vielmehr neue, rechtlich kaum lösbare Probleme hervorbringen. 1. Geschwindigkeitsüberwachung (…) Abzulehnen ist die Empfehlung 5 … unter dem Gesichtspunkt, dass durch geeignete Verfahren eine „vollständige und konsequente Verfolgung der durch automatisierte Durchsetzungssysteme erfassten Geschwindigkeitsüberschreitungen“ gewährleistet werden muss. Diese Verpflichtung stellt eine Einschränkung des Opportunitätsprinzips dar, das sich auch in den polizeilichen Richtlinien niederschlägt. Danach sollen unbedeutende Geschwindigkeitsüberschreitungen ungeahndet bleiben. Diese Kulanz gegenüber Bagatellen, die sich nicht Gefahr erhöhend auswirken, müsste zu Lasten eines enormen Verwaltungsaufwands aufgegeben werden, ohne hierdurch nennenswert zur Reduzierung schwerer Unfälle beizutragen. Stattdessen würden zahllose Bagatellvorwürfe erhoben, deren Verwarnungsgelder nicht einmal kostendeckend sind, beim Betroffenen aber den Eindruck des „Abkassierens“ hervorrufen. Eine „kostenwirksame Durchsetzung unter breiter Zustimmung in der Öffentlichkeit“, wie die Kommission ihre Empfehlungen versteht, wäre dies sicher nicht. Schließlich lässt diese Empfehlung erkennen, weshalb die Kommission automatisierte Verfahren als „effektive Maßnahmen“ ansieht. Um alle erfassten Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verfolgen, muss in allen Fällen der Betroffene feststellbar sein. Anhand des Kennzeichens kann lediglich der Zulassungsbesitzer ermittelt werden, der nicht mit dem Fahrzeugführer zur Tatzeit identisch sein muss. Die Einschränkung des Opportunitätsprinzips bezieht sich also nicht nur auf die erzwungene Verfolgung von Bagatellen, sondern ver- ** ) Der Beitrag von Albrecht wird demnächst veröffentlicht in der Zeitschrift „Straßenverkehrsrecht“ (SVR). ** ) Gekürzte Fassung des auf dem 43. VGT gehaltenen Vortrages.

132 Dokumentation<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong><br />

Arbeitskreis IV:<br />

Verkehrsüberwachung in Deutschland <strong>und</strong> Europa * )<br />

MARKUS SCHÄPE<br />

Verfassungsrechtliche Würdigung der Empfehlung 2004/345/EG ** )<br />

Alle Bemühungen um eine Verbesserung der Verkehrssicherheit sind zunächst<br />

begrüßenswert. Dies gilt auch für das hochgesteckte Ziel der Kommission, die Zahl<br />

der tödlichen Unfälle bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Bezweifelt werden muss jedoch,<br />

ob dieses Ziel mit den vorgeschlagenen Durchsetzungsmaßnahmen erreicht werden<br />

kann.<br />

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Hauptunfallursachen<br />

auf, nämlich der Geschwindigkeitsüberschreitung, des Führens von Kraftfahrzeugen unter<br />

<strong>Alkohol</strong> <strong>und</strong> der Nichtverwendung von Rückhalteeinrichtungen, also Sicherheitsgurt <strong>und</strong><br />

Kindersitz. Würden diese Risikofaktoren konsequent angegangen, wäre – so die Kommission<br />

– bereits mehr als die Hälfte des angestrebten Unfallrückgangs erreicht.<br />

Diese Vorgaben wecken große Erwartungen, erscheinen sie doch als Patentlösung für<br />

die Verkehrssicherheitsarbeit. Die nähere Betrachtung der Kommissionsempfehlungen<br />

(2004/345/EG) zeigt jedoch, dass deren Ansätze nicht das versprochene Allheilmittel sind,<br />

sondern vielmehr neue, rechtlich kaum lösbare Probleme hervorbringen.<br />

1. Geschwindigkeitsüberwachung<br />

(…) Abzulehnen ist die Empfehlung 5 … unter dem Gesichtspunkt, dass durch geeignete<br />

Verfahren eine „vollständige <strong>und</strong> konsequente Verfolgung der durch automatisierte<br />

Durchsetzungssysteme erfassten Geschwindigkeitsüberschreitungen“ gewährleistet werden<br />

muss. Diese Verpflichtung stellt eine Einschränkung des Opportunitätsprinzips dar,<br />

das sich auch in den polizeilichen Richtlinien niederschlägt. Danach sollen unbedeutende<br />

Geschwindigkeitsüberschreitungen ungeahndet bleiben. Diese Kulanz <strong>gegen</strong>über Bagatellen,<br />

die sich nicht Gefahr erhöhend auswirken, müsste zu Lasten eines enormen Verwaltungsaufwands<br />

aufgegeben werden, ohne hierdurch nennenswert zur Reduzierung<br />

schwerer Unfälle beizutragen. Stattdessen würden zahllose Bagatellvorwürfe erhoben,<br />

deren Verwarnungsgelder nicht einmal kostendeckend sind, be<strong>im</strong> Betroffenen aber den<br />

Eindruck des „Abkassierens“ hervorrufen. Eine „kostenwirksame Durchsetzung unter<br />

breiter Zust<strong>im</strong>mung in der Öffentlichkeit“, wie die Kommission ihre Empfehlungen versteht,<br />

wäre dies sicher nicht.<br />

Schließlich lässt diese Empfehlung erkennen, weshalb die Kommission automatisierte<br />

Verfahren als „effektive Maßnahmen“ ansieht. Um alle erfassten Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />

zu verfolgen, muss in allen Fällen der Betroffene feststellbar sein. Anhand des<br />

Kennzeichens kann lediglich der Zulassungsbesitzer ermittelt werden, der nicht mit dem<br />

Fahrzeugführer zur Tatzeit identisch sein muss. Die Einschränkung des Opportunitätsprinzips<br />

bezieht sich also nicht nur auf die erzwungene Verfolgung von Bagatellen, sondern ver-<br />

** ) Der Beitrag von Albrecht wird demnächst veröffentlicht in der Zeitschrift „Straßenverkehrsrecht“ (SVR).<br />

** ) Gekürzte Fassung des auf dem 43. VGT gehaltenen Vortrages.

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