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Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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128 Dokumentation<br />

nicht über die Besorgnisse, die sich einem erfahrenen Leser politischer Lyrik aufdrängen,<br />

wenn er in dem einschlägigen Eckpunktepapier der Länderjustizminister den Satz liest:<br />

„Die richterliche Unabhängigkeit ist dabei uneingeschränkt zu wahren.“ (Da nicht alle<br />

Verfassungsnormen in dem Papier beschworen werden, rätselt man als Leser zunächst<br />

über den Zusammenhang, bis man Wörter liest wie „Führung“, „Qualitätsmanagement“,<br />

„flexiblerer Richtereinsatz“.)<br />

Was erwarten sich diese Rechtspolitiker <strong>und</strong> auf welcher Beurteilungsgr<strong>und</strong>lage wollen<br />

sie schon wieder am Rechtsmittelsystem herumoperieren? Sie sprechen von einem<br />

Zuwachs an Transparenz <strong>und</strong> Effizienz, sprich: Kostenersparnis. Dazu nämlich hätten<br />

die bisherigen Reformen nicht geführt. Statt nun über den entsprechenden Nutzen solcher<br />

Reformen nachzudenken, fordern sie mehr davon – merkwürdig; denn ein aufwendiges<br />

rechtsvergleichendes <strong>und</strong> empirisch f<strong>und</strong>iertes Gutachten des Max-Planck-Instituts<br />

für ausländisches <strong>und</strong> internationales Strafrecht führte zu dem Ergebnis, dass unser<br />

strafrechtliches Rechtsmittelsystem <strong>im</strong> internationalen Vergleich keineswegs besonders<br />

umfangreich ausgestaltet sei <strong>und</strong> dass es durchaus effizient sei. Es funktioniert zur Zeit<br />

mit anderen Worten ganz gut – warum also wollen die Politiker ein bewährtes System<br />

zugunsten einer ungewissen Zukunftsstruktur zerschlagen? Ich wage dazu eine Prognose:<br />

Sollte es zu einer solchen Änderung kommen, würden Reparaturen schnell nötig,<br />

<strong>und</strong> die personellen Einsparungen, sollten sie denn überhaupt erfolgen, würden nicht<br />

einmal das Maß an juristischer Arbeitskraft aufwiegen, das allein schon für die Vorarbeiten<br />

zu einer solchen Reform erforderlich wird. Wo bisher durch die Existenz von<br />

richterlicher Kontrolle Vertrauen in richterliches Tun herrscht, wird letzteres mit dem<br />

Wegfall von Kontrollen auch als Systemkapital schwinden.<br />

Zum Thema „Kontrolle <strong>und</strong> Vertrauen“ möchte ich zurückkehren zu einem Aspekt<br />

der Straßenverkehrssicherheit. Die Gurtanlegequote ist in Deutschland erfreulich hoch.<br />

Das war nicht <strong>im</strong>mer so, ist also erreicht worden, <strong>und</strong> das kaum wesentlich durch Kontrolle<br />

<strong>und</strong> Repression, sondern durch Aufklärung <strong>und</strong> nicht zuletzt Zivilrechtsprechung.<br />

Ein Bereich der Unfallstatistik allerdings ist in diesem Zusammenhang alarmierend:<br />

Fast die Hälfte aller <strong>im</strong> Straßenverkehr tödlich verunglückten Kinder waren „Mitfahrer“<br />

in einem Pkw, <strong>und</strong> sie wurden meist deshalb tödlich verletzt, weil sie nicht opt<strong>im</strong>al<br />

gesichert waren – durch die für Kleinkinder vorgeschriebenen, je nach Alter divergierenden<br />

technischen Vorrichtungen, die <strong>im</strong> Bürokratendeutsch z. T. als „Kinderrückhaltesysteme“<br />

bezeichnet werden. Das ist schl<strong>im</strong>m, <strong>und</strong> es sind hochgradig vermeidbare<br />

Opfer. Deshalb, so wurde mir einmal gesprächsweise vorgehalten, sei es nicht richtig<br />

davon zu sprechen, für eine Verschärfung repressiver Vorschriften <strong>im</strong> Straßenverkehr<br />

bestehe in Anbetracht erfreulich sinkender Opferzahlen kein Anlass. Mir scheint dies<br />

ein Punkt zu sein, an dem die Begrenztheit des Schemas Kontrolle/Repression besonders<br />

deutlich sichtbar wird:<br />

Normalerweise sorgen sich Eltern um das Wohl ihrer Kinder – darauf kann man auch<br />

vertrauen. Macht man ihnen also hinreichend klar, dass das größte Risiko für einen plötzlichen<br />

Tod ihres Kleinkindes nicht in falschem Bettzeug, Bauchlage oder in dem liegt, was<br />

sonst <strong>im</strong>mer noch in entsprechenden Kursen für junge Eltern als statistische Gründe für<br />

den plötzlichen Kindstod genannt werde, sondern in einer mangelhaften Sicherung <strong>im</strong><br />

Auto, oder weist man sie z. B. anlässlich einer Kontrolle darauf hin, dass sie ggf. das Sterberisiko<br />

für ihr Kind bei einem Unfall auf das Siebenfache erhöhen, dürfte das mehr Erfolg<br />

versprechen als irgendeine Sanktionsverschärfung.<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong>

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