Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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10.12.2012 Aufrufe

Verhoff/Oehmke/Schütz/Weiler, Ein Beitrag zur Berechnung der Mindest-BAK bei Nachtrunkbehauptung Diskussion Bei einer Nachtrunkbehauptung ist die Überprüfung der Frage unerlässlich, ob der NT alleine ausreichen kann, den Entnahmewert zu erklären [5, 8, 10]. Ist der NT als alleiniger Verursacher des Entnahmewertes rechnerisch nicht zu widerlegen, sind weitere Überprüfungen durch die zusätzliche Bewertung der Anflutungswirkung (unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen, insbesondere der sistierenden Polizeibeamten und des ärztlichen Untersuchungsberichtes anlässlich der Blutentnahme) oder mit Hilfe der Begleitstoffanalyse möglich. Ist der NT nicht ausreichend, den Entnahmewert zu erklären, muss zum NT-Beginn bereits eine BAK vorgelegen haben. Die maximal durch den Nachtrunk erreichbare BAK muss in Abzug gebracht werden, entweder vor oder nach der Rückrechnung auf den VZ. Zieht man die maximal durch den NT erreichbare BAK von dem zunächst auf den VZ zurückgerechneten Mindest-BAK-Wert ab (Methode 1), besteht insbesondere bei langen Zeiträumen zwischen VZ und behauptetem NT-Beginn die Gefahr, die BAK zu weit „hochzurechnen“ (Fall 1, Abb. 1a). Hierbei können durchaus forensisch relevante Werte erreicht werden, wie Fall 1 belegt. Zu einer derartigen Fehleinschätzung kann es jedoch nur kommen, wenn nicht zuvor in geeigneten Rechenschritten überprüft wurde, ob der NT bereits alleine ausreicht, die gemessene BAK zu erklären. Wird die maximal durch den NT erreichbare BAK zuerst von dem gemessenen Wert abgezogen (Methode 2), treten Probleme auf, wenn lange Zeiträume zwischen NT-Beginn und Blutentnahme liegen (Fall 2, Abb. 2a). Wird ein Wert kleiner 0 berechnet, wäre eine Rückrechnung rein physiologisch betrachtet nicht zulässig. Fraglich erscheint auch der Fall, wenn nach Abzug des NTs vom Messwert eine BAK zwischen 0 und 0,15 Promille verbleibt (s. u.). Betrachtet man nach vorangegangener „positiver“ rechnerischer Überprüfung des NTs den Entnahmewert abzüglich der maximal durch den NT erreichbaren BAK als reine rechnerische Größe ohne physiologischen Bezug, würde sich grundsätzlich bei einer Rückrechnung zum VZ derselbe Wert ergeben, wie auch bei Anwendung von Methode 1. Dies ist auch bei den beiden vorgestellten Fällen nachzuvollziehen (Abb. 1a und b, Abb. 2a und b). Es bleibt festzustellen, dass keine der beiden Methoden zur Berechnung der Mindest- BAK zum VZ unter Berücksichtigung des NT geeignet ist, die Plausibilität des NT zu überprüfen. Hierfür ist jeweils eine zusätzliche Berechnung bzw. Bewertung notwendig. Unterschiede im Ergebnis bei der Berechnung der Mindest-BAK zum VZ ergeben sich nicht. Demnach könnte die Wahl der Methode dem „Geschmack“ des Gutachters überlassen sein. Allerdings könnte bei Methode 2 insbesondere in foro das Problem der Plausibilität eines möglichen negativen BAK-(Zwischen-)Wertes auftauchen. Vorschlag einer fraktionierten Rückrechnung Bei dem Versuch, den NT nicht einzeln, sondern im Zuge der Rückrechnung zu überprüfen, ist von der Voraussetzung auszugehen, dass zunächst unbekannt ist, ob unmittelbar vor dem NT-Beginn Alkohol abgebaut wurde oder nicht. Dagegen muss mit dem NT-Beginn in jedem Fall von einem Alkoholabbau ausgegangen werden. Deshalb ist im ersten Schritt der Entnahmewert bis zum angegebenen NT-Beginn mit 0,1 Promille/Stunde zurückzurechnen. Von diesem Wert wird dann die maximal durch den NT erreichbare BAK abgezogen. Ist das Ergebnis kleiner 0, reicht der NT aus, den Entnahmewert zu erklären. 89 BLUTALKOHOL VOL. 42/2005

90 Bei einem sehr negativen Wert ergibt sich allerdings die Frage nach der Glaubwürdigkeit der angegebenen NT-Menge. Erhält man einen Wert von größer 0,15 Promille, kann eine Mindest-BAK weiter bis zum VZ zurückgerechnet werden. Bei Werten zwischen 0 und 0,15 Promille wäre das weitere Vorgehen zu diskutieren. Es kann jedoch vorgeschlagen werden, dass zu Gunsten des Beschuldigten in diesen Fällen keine weitere Rückrechnung mehr zulässig bzw. der Nachtrunk als ausreichend für den Entnahmewert anzusehen wäre. Denn die lineare Charakteristik der Ethanolelimination (annähernd Reaktion nullter Ordnung) wird nur bei Sättigung der am Ethanolabbau beteiligten Enzymsysteme bzw. Begrenzung der NAD-Menge in der Leber erreicht. Dies ist bereits bei einer BAK von 0,15 Promille der Fall. Bei geringeren BAK-Werten kann dagegen ein exponentieller Kurvenverlauf mit „allmählichem Auslaufen“ beobachtet werden [4]. Wendet man diese fraktionierte Berechnung auf die beiden vorgestellten Fälle an, ergibt sich für Fall 1 (Abb. 3a) von der BE um 2 Uhr (Entnahmewert 0,76 Promille) bis zum Trinkbeginn des NTs eine Rückrechnungszeit von 3 Stunden. Demnach müsste zum NT-Beginn ohne Berücksichtigung des NTs eine Mindest-BAK von 1,06 Promille vorgelegen haben. Da aber der NT maximal zu einer BAK von 1,15 Promille führen könnte, wäre er alleine in der Lage, den Entnahmewert zu erklären. Bei Fall 2 (Abb. 3b) ergibt sich von der BE um 5 Uhr (0,87 Promille) bis NT-Beginn (23.30 Uhr) ein Zeitraum von 5,5 Stunden. Demnach müsste bei NT-Beginn ohne Berücksichtigung des NTs eine Mindest-BAK von 1,42 Promille vorgelegen haben. Zieht man die maximal durch den NT erreichbare BAK (0,97 Promille) ab, erhält man für den NT-Beginn unter Berücksichtigung des NTs eine Mindest-BAK von 0,45 Promille. Eine Rückrechnung auf den VZ um 23.00 Uhr ist bei Annahme einer abgeschlossenen Resorption zum VZ zulässig und ergibt eine Mindest-BAK von 0,50 Promille. BLUTALKOHOL VOL. 42/2005 Verhoff/Oehmke/Schütz/Weiler, Ein Beitrag zur Berechnung der Mindest-BAK bei Nachtrunkbehauptung Abbildung 3a: Fall 1 nach der fraktionierten Rückrechnung.

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Bei einem sehr negativen Wert ergibt sich allerdings die Frage nach der Glaubwürdigkeit<br />

der angegebenen NT-Menge. Erhält man einen Wert von größer 0,15 Promille, kann eine<br />

Mindest-BAK weiter bis zum VZ zurückgerechnet werden.<br />

Bei Werten zwischen 0 <strong>und</strong> 0,15 Promille wäre das weitere Vorgehen zu diskutieren. Es<br />

kann jedoch vorgeschlagen werden, dass zu Gunsten des Beschuldigten in diesen Fällen<br />

keine weitere Rückrechnung mehr zulässig bzw. der Nachtrunk als ausreichend für den<br />

Entnahmewert anzusehen wäre. Denn die lineare Charakteristik der Ethanolel<strong>im</strong>ination<br />

(annähernd Reaktion nullter Ordnung) wird nur bei Sättigung der am Ethanolabbau beteiligten<br />

Enzymsysteme bzw. Begrenzung der NAD-Menge in der Leber erreicht. Dies ist bereits<br />

bei einer BAK von 0,15 Promille der Fall. Bei geringeren BAK-Werten kann da<strong>gegen</strong><br />

ein exponentieller Kurvenverlauf mit „allmählichem Auslaufen“ beobachtet werden [4].<br />

Wendet man diese fraktionierte Berechnung auf die beiden vorgestellten Fälle an, ergibt<br />

sich für Fall 1 (Abb. 3a) von der BE um 2 Uhr (Entnahmewert 0,76 Promille) bis zum<br />

Trinkbeginn des NTs eine Rückrechnungszeit von 3 St<strong>und</strong>en.<br />

Demnach müsste zum NT-Beginn ohne Berücksichtigung des NTs eine Mindest-BAK<br />

von 1,06 Promille vorgelegen haben. Da aber der NT max<strong>im</strong>al zu einer BAK von 1,15 Promille<br />

führen könnte, wäre er alleine in der Lage, den Entnahmewert zu erklären.<br />

Bei Fall 2 (Abb. 3b) ergibt sich von der BE um 5 Uhr (0,87 Promille) bis NT-Beginn<br />

(23.30 Uhr) ein Zeitraum von 5,5 St<strong>und</strong>en. Demnach müsste bei NT-Beginn ohne Berücksichtigung<br />

des NTs eine Mindest-BAK von 1,42 Promille vorgelegen haben. Zieht man die<br />

max<strong>im</strong>al durch den NT erreichbare BAK (0,97 Promille) ab, erhält man für den NT-Beginn<br />

unter Berücksichtigung des NTs eine Mindest-BAK von 0,45 Promille. Eine Rückrechnung<br />

auf den VZ um 23.00 Uhr ist bei Annahme einer abgeschlossenen Resorption<br />

zum VZ zulässig <strong>und</strong> ergibt eine Mindest-BAK von 0,50 Promille.<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong><br />

Verhoff/Oehmke/Schütz/Weiler,<br />

Ein Beitrag zur Berechnung der Mindest-BAK bei Nachtrunkbehauptung<br />

Abbildung 3a: Fall 1 nach der fraktionierten Rückrechnung.

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