Blutalkohol 2005 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...

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10.12.2012 Aufrufe

klagten, mit welcher er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Seiner Revisionsbegründungsschrift ist zu entnehmen, dass die Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt sein soll. Aus den Gründen: Die Revision ist in vollem Umfang erfolgreich, weil die Berufungsstrafkammer unter Verletzung des § 323a Abs. 2 StGB von einem unzutreffenden Strafrahmen ausgegangen ist. Das deshalb im Rechtsfolgenausspruch aufzuhebende Berufungsurteil enthält dazu die folgenden Ausführungen: „Die Kammer konnte auf Grund der Tatsache, dass der zuständige Polizeibeamte den Angeklagten nicht für vernehmungsfähig gehalten hat, nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit in einem Vollrausch befunden hat. Der Angeklagte war daher nicht wie in erster Instanz wegen Diebstahls, sondern wegen fahrlässigen Vollrausches, § 323a StGB, zu verurteilten. Dafür, dass sich der Angeklagte vorsätzlich in einen Vollrausch versetzt hat, gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Vorschrift des § 323a Abs. 1 StGB stellt einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe zur Verfügung. Strafmildernd hat die Kammer berücksichtigt, dass die Rauschtat letztendlich im Versuchsstadium steckengeblieben ist, weil der Angeklagte während der Taten beobachtet worden ist; infolgedessen ist ein tatsächlicher Schaden nicht eingetreten. Ferner wurde strafmildernd berücksichtigt, dass der Wert der Gegenstände, die der Angeklagte zu entwenden versucht hat, nicht besonders hoch war, obwohl die Geringfügigkeitsschwelle überschritten worden ist. Strafschärfend waren die zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten zu berücksichtigen und insbesondere die Tatsache, dass der Angeklagte die Tat während einer laufenden Bewährungszeit und nur acht Monate nach seiner letzten Verurteilung begangen hat.“ Die Strafkammer, die danach in Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten einen Vollrausch angenommen hat, hätte bei ihrer Strafbemessung nicht vom Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB ausgehen dürfen. Gemäß § 323a Abs. 2 StGB darf die Strafe nicht schwerer sein als die Strafe, welche für die im Rausch begangene Tat angedroht ist. Diese Bestimmung begrenzt die tatrichterlichen Erwägungen nicht nur im Ergebnis. Vielmehr erlangt sie ihre Bedeutung bereits bei der Strafrahmenwahl (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 323a Rn. 21, BGH StV 1992, 231 f.). Das gilt erst recht, wenn die Verurteilung wegen Vollrausches in Anwendung des in dubio pro reo-Satzes erfolgt (vgl. BGH StV 1992, 231 f.; BGH NStZ-RR 1996, 290). Gliche man nämlich statt dessen nur die konkrete Vollrauschstrafe mit dem Strafrahmen der jeweiligen Rauschtat ab, führte dies zu einer potenziellen Schlechterstellung desjenigen, zu dessen Gunsten doch gerade der Schuldspruch wegen des Vollrausches ergeht. Dieser könnte beispielsweise wegen einer im Rechtsprechung 75 Vollrausch begangenen Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt werden, wohingegen diese Strafe als Höchststrafe des § 316 StGB ohne den Vollrausch allenfalls theoretisch vorstellbar wäre: Zur Vorkehrung gegen eine Schlechterstellung des Rauschtäters können allerdings auch nicht die konkret zu erwartenden Strafen miteinander verglichen werden, weil eine fiktive Strafzumessung wegen der Rauschtat in Ermangelung von Feststellungsmöglichkeiten zur Schuld des schuldlos Handelnden sinnlos bleiben müsste. Die erforderliche Absicherung kann daher nur geschehen, indem bereits die anzuwendenden Strafrahmen miteinander ins Verhältnis gesetzt werden. Der konkret in Betracht kommende Strafrahmen wegen der Rauschtat begrenzt deshalb mit seinem Höchstmaß, sofern es unter demjenigen des Strafrahmens nach § 323a Abs. 1 StGB liegt, den konkreten Strafrahmen wegen des Vollrausches nach oben hin. Das gilt, selbst wenn für die Rauschtat nur eine fakultative Milderung, etwa nach den §§ 21, 23 Abs. 2 StGB, in Frage gekommen wäre, jedenfalls dann, wenn diese Milderung im Falle der Verurteilung wegen der Rauschtat voraussichtlich auch vorgenommen worden wäre und wenn zusätzlich die Verurteilung wegen des Vollrausches nur deshalb erfolgt, weil zu Gunsten des Angeklagten nicht nur die Verminderung, sondern sogar die Aufhebung der Schuldfähigkeit nicht auszuschließen ist. Denn andernfalls stünde der Angeklagte besser, würde er wegen der Rauschtat abgeurteilt. Folgt man diesen Grundsätzen im zu entscheidenden Fall, so war der über § 323a Abs. 2 StGB zu Grunde zu legende Strafrahmen für den Vollrausch nicht mit demjenigen des Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB mit seiner Höchststrafdrohung von 5 Jahren identisch. Denn bereits der Strafrichter war bei seiner Verurteilung wegen Diebstahls von einer Anwendung des § 21 StGB und einer entsprechenden Strafmilderung ausgegangen. Aus den Feststellungen der Strafkammer ergeben sich zudem keine Hinweise, wonach die Anwendung des nach § 49 Abs. 1 StGB reduzierten Strafrahmens, die zudem eher der Regel als der Ausnahme entspricht, unzutreffend gewesen sein könnte. Die Strafkammer hätte daher auch bei ihrer Strafzumessung davon ausgehen müssen, dass sich die Strafobergrenze für die Rauschtat gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf höchstens 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe reduzierte. Damit erstreckte sich der wegen Vollrausches zur Verfügung stehende Strafrahmen aber ebenfalls nur auf Geldstrafe oder auf Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren 9 Monaten. Indem sie statt dessen den Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB anwendete, stellte sie den Angeklagten schlechter als im Falle seiner Verurteilung wegen der Rauschtat, welche sie eigentlich zu seinen Gunsten abgelehnt hatte. Dass die Strafkammer von einem bloßen Versuch der Rauschtat (und damit dem Bestehen einer weiteren Milderungsmöglichkeit) ausgegangen ist, hat der Senat darüber hinaus nicht berücksichtigt. Die rechtliche Schlussfolgerung eines Versuchs lässt sich nämlich mit den – durch die Beschränkung des Rechtsmit- BLUTALKOHOL VOL. 42/2005

76 Rechtsprechung tels in Rechtskraft erwachsenen – Feststellungen zum Tatgeschehen nicht in Einklang bringen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch anders gelautet hätte, wäre die Strafkammer von dem zutreffenden reduzierten Strafrahmen ausgegangen. Die erkannte Strafe von 7 Monaten liegt zwar im unteren Bereich des Strafrahmens nach § 323a Abs. 1 StGB. Geht man hingegen von einem nach § 49 Abs. 1 StGB reduzierten Strafrahmen aus, so ändert sich die relative Einordnung des erkannten Strafmaßes im Spektrum theoretisch denkbarer Grade von Schuldschwere nicht ganz unerheblich. Es erscheint daher fraglich, ob die Gründe, welche die Strafkammer zur Bemessung einer Strafe von 7 Monaten bewogen haben, sie auch bei Annahme eines reduzierten Strafrahmens zu demselben Ergebnis geführt hätten. Der Senat gibt darüber hinaus für die neuerliche Hauptverhandlung über den Rechtsfolgenausspruch folgende Hinweise: Die Strafkammer hat strafschärfend „die zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten“ berücksichtigt. Dies lässt nicht erkennen, ob die besonderen Umstände des Falls hinlänglich bedacht wurden. Denn der Angeklagte ist in der Vergangenheit zwar auch wegen Vollrausches zweimal in Erscheinung getreten. Die entsprechenden Verurteilungen datieren allerdings aus den Jahren 1975 und 1987, also vor 29 bzw. 17 Jahren. Zudem hat die Strafkammer dem Angeklagten lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht. Das letzte Urteil wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts erging aber ebenfalls bereits im Jahre 1987 und somit vor immerhin 17 Jahren. Seither erfolgten ausschließlich Verurteilungen wegen Vorsatzdelikten. Bei einer solchen Ausgangslage ist zum einen zu erwägen, ob die einschlägigen Vorstrafen nicht schon zu lange zurück liegen, als dass sie noch strafschärfend ins Gewicht fallen könnten (vgl. OLG Bremen NJW 1957, 355). Zum anderen wird hinsichtlich der Vorstrafen aus jüngerer Zeit zu berücksichtigen sein, dass Fahrlässigkeitstaten meist nicht Ausdruck rechtsfeindlichen Verhaltens und krimineller Gesinnung sind; bei ihnen dürfen daher Vorstrafen, zumal wegen Vorsatzdelikten, nur mit Vorsicht zur Straferhöhung und bei der Entscheidung, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, verwertet werden (BGH VRS 28, 420 [422 f.]). Hinzu kommt eine allgemeine und nahezu stetige Abschwächung der in letzter Zeit von dem jetzt fast 64-jährigen Angeklagten begangenen Delikte. Seine Kriminalität trägt mittlerweile – anders als in der Vergangenheit – nahezu bagatellhafte Züge. Auch wird die neu entscheidende Strafkammer im Auge behalten müssen, dass im Falle seiner Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe mit einem Widerruf der zuletzt verhängten Bewährungsstrafe von 10 Monaten und mit einer entsprechend verlängerten Gesamtverbüßungsdauer zu rechnen ist. Schließlich wird die Strafkammer auch zu überlegen haben, wie es dem Angeklagten hinlänglich zu vermitteln ist, falls gegen ihn trotz deutlicher Reduzie- BLUTALKOHOL VOL. 42/2005 rung des Schuldvorwurfs (Vollrausch anstelle Diebstahls, Fahrlässigkeit anstelle Vorsatzes) eine nur unerheblich geringere Strafe als in erster Instanz verhängt wird. Denn das wäre unentbehrlich, soll eine spezialpräventive Wirkung der Strafe erzielt werden (vgl. BGH NJW 1983, 54). (Mitgeteilt von Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Michael Heghmanns, Brandenburg) 11. Wird ein Fußgänger, der nachts mit einem Blutalkoholgehalt von 3,47 g ‰ auf einer Landstraße liegt, von einem Pkw überfahren, so besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Unfall durch die Alkoholisierung des Fußgängers verursacht wurde. Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 19. April 2004 – 15 U 5/04 – – 16 O 2580/03 (Landgericht Oldenburg) – Zum Sachverhalt: Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, bei dem ihr Ehemann tödlich verunglückt ist. Der Beklagte zu 1) befuhr am 12. Oktober 2002 gegen 23 Uhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 74 km/h die L 872, für die dort eine Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h besteht. Ihm kam ein Fahrzeug entgegen, an dem die Scheinwerfer kurz aufgeblendet und die Warnblinkanlage eingeschaltet wurden. Der Beklagte zu 1), der nicht wusste, weshalb dies geschah, blickte in den Rückspiegel und sah, als er wieder vor sein Fahrzeug schaute, vor sich auf der Fahrbahn eine Person liegen, der er nicht mehr ausweichen konnte und die er überfuhr und dabei tödlich verletzte. Bei dem Getöteten handelte es sich um den mit einem Blutalkoholgehalt von 3,47 g ‰ belasteten Ehemann der Klägerin, der vor 23 Uhr eine Geburtstagsfeier zu Fuß verlassen hatte und aus ungeklärten Gründen etwa in Höhe der – in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen – links gelegenen Zufahrt zu seinem Haus auf der rechten Fahrbahn der L 872 lag. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie müsse sich keinesfalls ein 25 % übersteigendes etwaiges Mitverschulden des Getöteten an dem Unfall anrechnen lassen. Sie hat deshalb mit der Klage die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz von 75 % des ihr entstandenen Schadens in Anspruch genommen. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und gemeint, der Ehemann der Klägerin habe den Unfall infolge alkoholbedingter Verkehrsuntüchtigkeit überwiegend verschuldet; die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) gelenkten Fahrzeuges trete dahinter zurück. Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten, mit der sie die völlige Klageabweisung begehren, hat teilweise Erfolg.

76 Rechtsprechung<br />

tels in Rechtskraft erwachsenen – Feststellungen zum<br />

Tatgeschehen nicht in Einklang bringen.<br />

Es ist nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch<br />

anders gelautet hätte, wäre die Strafkammer<br />

von dem zutreffenden reduzierten Strafrahmen ausgegangen.<br />

Die erkannte Strafe von 7 Monaten liegt<br />

zwar <strong>im</strong> unteren Bereich des Strafrahmens nach<br />

§ 323a Abs. 1 StGB. Geht man hin<strong>gegen</strong> von einem<br />

nach § 49 Abs. 1 StGB reduzierten Strafrahmen aus,<br />

so ändert sich die relative Einordnung des erkannten<br />

Strafmaßes <strong>im</strong> Spektrum theoretisch denkbarer<br />

Grade von Schuldschwere nicht ganz unerheblich. Es<br />

erscheint daher fraglich, ob die Gründe, welche die<br />

Strafkammer zur Bemessung einer Strafe von 7 Monaten<br />

bewogen haben, sie auch bei Annahme eines<br />

reduzierten Strafrahmens zu demselben Ergebnis geführt<br />

hätten.<br />

Der Senat gibt darüber hinaus für die neuerliche<br />

Hauptverhandlung über den Rechtsfolgenausspruch<br />

folgende Hinweise:<br />

Die Strafkammer hat strafschärfend „die zahlreichen<br />

Vorstrafen des Angeklagten“ berücksichtigt.<br />

Dies lässt nicht erkennen, ob die besonderen Umstände<br />

des Falls hinlänglich bedacht wurden. Denn der<br />

Angeklagte ist in der Vergangenheit zwar auch wegen<br />

Vollrausches zwe<strong>im</strong>al in Erscheinung getreten. Die<br />

entsprechenden Verurteilungen datieren allerdings<br />

aus den Jahren 1975 <strong>und</strong> 1987, also vor 29 bzw. 17<br />

Jahren. Zudem hat die Strafkammer dem Angeklagten<br />

lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht.<br />

Das letzte Urteil wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts<br />

erging aber ebenfalls bereits <strong>im</strong> Jahre 1987 <strong>und</strong> somit<br />

vor <strong>im</strong>merhin 17 Jahren. Seither erfolgten ausschließlich<br />

Verurteilungen wegen Vorsatzdelikten.<br />

Bei einer solchen Ausgangslage ist zum einen zu erwägen,<br />

ob die einschlägigen Vorstrafen nicht schon<br />

zu lange zurück liegen, als dass sie noch strafschärfend<br />

ins Gewicht fallen könnten (vgl. OLG Bremen<br />

NJW 1957, 355). Zum anderen wird hinsichtlich der<br />

Vorstrafen aus jüngerer Zeit zu berücksichtigen sein,<br />

dass Fahrlässigkeitstaten meist nicht Ausdruck<br />

rechtsfeindlichen Verhaltens <strong>und</strong> kr<strong>im</strong>ineller Gesinnung<br />

sind; bei ihnen dürfen daher Vorstrafen, zumal<br />

wegen Vorsatzdelikten, nur mit Vorsicht zur Straferhöhung<br />

<strong>und</strong> bei der Entscheidung, ob die Strafe zur<br />

Bewährung ausgesetzt werden kann, verwertet werden<br />

(BGH VRS 28, 420 [422 f.]).<br />

Hinzu kommt eine allgemeine <strong>und</strong> nahezu stetige<br />

Abschwächung der in letzter Zeit von dem jetzt fast<br />

64-jährigen Angeklagten begangenen Delikte. Seine<br />

Kr<strong>im</strong>inalität trägt mittlerweile – anders als in der Vergangenheit<br />

– nahezu bagatellhafte Züge. Auch wird<br />

die neu entscheidende Strafkammer <strong>im</strong> Auge behalten<br />

müssen, dass <strong>im</strong> Falle seiner Verurteilung zu einer unbedingten<br />

Freiheitsstrafe mit einem Widerruf der zuletzt<br />

verhängten Bewährungsstrafe von 10 Monaten<br />

<strong>und</strong> mit einer entsprechend verlängerten Gesamtverbüßungsdauer<br />

zu rechnen ist.<br />

Schließlich wird die Strafkammer auch zu überlegen<br />

haben, wie es dem Angeklagten hinlänglich zu<br />

vermitteln ist, falls <strong>gegen</strong> ihn trotz deutlicher Reduzie-<br />

BLUTALKOHOL VOL. 42/<strong>2005</strong><br />

rung des Schuldvorwurfs (Vollrausch anstelle Diebstahls,<br />

Fahrlässigkeit anstelle Vorsatzes) eine nur unerheblich<br />

geringere Strafe als in erster Instanz verhängt<br />

wird. Denn das wäre unentbehrlich, soll eine spezialpräventive<br />

Wirkung der Strafe erzielt werden (vgl.<br />

BGH NJW 1983, 54).<br />

(Mitgeteilt von Richter am Oberlandesgericht<br />

Prof. Dr. Michael Heghmanns, Brandenburg)<br />

11. Wird ein Fußgänger, der nachts mit einem<br />

<strong>Blutalkohol</strong>gehalt von 3,47 g ‰ auf einer Landstraße<br />

liegt, von einem Pkw überfahren, so besteht<br />

ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Unfall durch<br />

die <strong>Alkohol</strong>isierung des Fußgängers verursacht<br />

wurde.<br />

Oberlandesgericht Oldenburg,<br />

Urteil vom 19. April 2004 – 15 U 5/04 –<br />

– 16 O 2580/03 (Landgericht Oldenburg) –<br />

Zum Sachverhalt:<br />

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem<br />

Verkehrsunfall, bei dem ihr Ehemann tödlich verunglückt<br />

ist. Der Beklagte zu 1) befuhr am 12. Oktober<br />

2002 <strong>gegen</strong> 23 Uhr mit dem bei der Beklagten zu 2)<br />

haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit<br />

von 74 km/h die L 872, für die dort eine<br />

Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />

auf 50 km/h besteht. Ihm kam ein Fahrzeug ent<strong>gegen</strong>,<br />

an dem die Scheinwerfer kurz aufgeblendet <strong>und</strong> die<br />

Warnblinkanlage eingeschaltet wurden. Der Beklagte<br />

zu 1), der nicht wusste, weshalb dies geschah, blickte<br />

in den Rückspiegel <strong>und</strong> sah, als er wieder vor sein<br />

Fahrzeug schaute, vor sich auf der Fahrbahn eine Person<br />

liegen, der er nicht mehr ausweichen konnte <strong>und</strong><br />

die er überfuhr <strong>und</strong> dabei tödlich verletzte. Bei dem<br />

Getöteten handelte es sich um den mit einem <strong>Blutalkohol</strong>gehalt<br />

von 3,47 g ‰ belasteten Ehemann der Klägerin,<br />

der vor 23 Uhr eine Geburtstagsfeier zu Fuß verlassen<br />

hatte <strong>und</strong> aus ungeklärten Gründen etwa in<br />

Höhe der – in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen<br />

– links gelegenen Zufahrt zu seinem Haus auf<br />

der rechten Fahrbahn der L 872 lag. Die Klägerin hat<br />

die Auffassung vertreten, sie müsse sich keinesfalls<br />

ein 25 % übersteigendes etwaiges Mitverschulden<br />

des Getöteten an dem Unfall anrechnen lassen. Sie<br />

hat deshalb mit der Klage die Beklagten als Gesamtschuldner<br />

auf Ersatz von 75 % des ihr entstandenen<br />

Schadens in Anspruch genommen. Die Beklagten<br />

haben Klageabweisung beantragt <strong>und</strong> gemeint, der<br />

Ehemann der Klägerin habe den Unfall infolge alkoholbedingter<br />

Verkehrsuntüchtigkeit überwiegend<br />

verschuldet; die Betriebsgefahr des vom Beklagten<br />

zu 1) gelenkten Fahrzeuges trete dahinter zurück.<br />

Das Landgericht hat der Klage dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />

stattgegeben. Die hier<strong>gegen</strong> gerichtete Berufung der<br />

Beklagten, mit der sie die völlige Klageabweisung<br />

begehren, hat teilweise Erfolg.

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