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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Geist zu knechten, o<strong>der</strong> soll <strong>der</strong> Geist befreit werden, um den Trieb zu bändigen?“<br />

(Foerster 1953: 235)<br />

Der Geist, <strong>der</strong> Wille, die Seele sollen den Trieb, den Körper und seine Bedürfnisse<br />

zuerst überwinden und dann nach Belieben kontrollieren, bezwingen,<br />

beherrschen und unterdrücken. Solche Geistesherrschaft, Selbstkontrolle<br />

und Selbstüberwindung entspricht „dem tiefverborgenen Verlangen jedes<br />

Menschen“ (Foerster 1953: 255).<br />

„Durch den Gehorsam lernt <strong>der</strong> Mensch überhaupt erst die Erhebung über seine natürliche<br />

Willensrichtung, die ihn sonst krampfartig sein ganzes Leben lang beherrscht“<br />

(Foerster 1953: 247), das Kind „braucht die Hilfe von außen, um sich selbst<br />

wi<strong>der</strong>stehen zu lernen.“ (Foerster 1953: 247 f.)<br />

Es muß sich „von <strong>der</strong> Tyrannei des launischen Eigenwillens“ hin zur geistigen<br />

Herrschaft befreien (Foerster 1953: 254).<br />

Der Freiheitsbegriff steht damit buchstäblich auf dem Kopf: Freiheit ist Gehorsam<br />

und Unterwerfung, erst Zwang erzeugt wahre Freiheit, und Freiheitspädagogik,<br />

Hilfe zur Befreiung bedeutet, dem Gehorsam nachzuhelfen, meint<br />

vor allem die Unterdrückung aller natürlichen Strebungen.<br />

Es geht um die Vernichtung <strong>der</strong> Individualität und die synthetische Erzeugung<br />

einer vom Erzieher konzipierten künstlichen Einheitspersönlichkeit<br />

durch verfeinerte psychologisch-pädagogische Techniken.<br />

Dazu dient die gezielte Erziehung zu einer (stark katholisch geprägten, <strong>der</strong>)<br />

Moral und Sittlichkeit, den ewigen <strong>Wer</strong>ten, zur Einsicht in die Richtigkeit <strong>der</strong><br />

vorgegebenen Ordnung, zu Gehorsam, Unterordnung, Einfügung in das große<br />

Ganze, zu einem ganz bestimmten vorgegebenen Charakter- und Persönlichkeitsideal,<br />

ähnlich dem christian gentleman <strong>der</strong> englischen Public School 72 .<br />

„Also: Die Individualität muß sterben, wenn die Persönlichkeit auferstehen<br />

soll.“ (Foerster 1953: 238). Die bloße „äußere Freiheit“ und <strong>der</strong> „Kultus <strong>der</strong><br />

Individualität“ des Kindes sind lediglich weichliches Nachgeben gegenüber<br />

den - u. U. krankmachenden - zufälligen Launen, Unarten und Schwächen des<br />

Kindes (Foerster 1953: 236 - 239).<br />

Bei diesem Konzept kann die freie Entscheidung des Zöglings nur soweit<br />

geduldet werden, wie durch den Einfluss und die Kontrolle des Erziehers gesichert<br />

ist, daß er sich richtig entscheiden wird und den Erzieherwünschen<br />

freiwillig nachkommt.<br />

Sobald solche Fernsteuerung versagt, <strong>der</strong> Zögling falsch entscheidet und<br />

damit seine Freiheit mißbraucht, wird dem Unreifen die Freiheit (teilweise)<br />

72 Für A. S. Neill scheint Charakterformer (character moul<strong>der</strong>) das schlimmste Schimpfwort<br />

überhaupt zu sein, etwa gleichbedeutend mit Seelenmör<strong>der</strong>. Sein enger Freund Wilhelm<br />

Reich zeigte enge Zusammenhänge auf zwischen <strong>der</strong> Formung eines Charakter-<br />

Panzers und <strong>der</strong> Entstehung des (kulturbedingten!) Todestriebes.<br />

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