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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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walt und Strafe, o<strong>der</strong> mit verfeinerten Mitteln durch Erzeugung eines inneren<br />

Selbst-Zwanges (Gewissen, Über-Ich) im Menschen.<br />

Die Lehre vom richtigen, guten, also unnatürlichen Verhalten muß den<br />

Menschen dann aufgezwungen werden. Der Erzieher vermittelt seine als unfehlbar<br />

wahr und richtig dargestellten Überzeugungen von Bolschewismus<br />

o<strong>der</strong> katholischer Religion (o<strong>der</strong> was auch immer), indem er sie belehrend<br />

und moralisierend als zweifellos einzig richtige und erstrebenswerte darstellt.<br />

Zumindest anfangs wird auch gezielt die eigene Macht und Fähigkeit zur<br />

Schau gestellt und eingesetzt, während <strong>der</strong> Erzieher sich später nach einigen<br />

Anfangserfolgen darauf beschränken kann, gezielt und fast ohne offenen<br />

Machteinsatz die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das Erziehungsziel ist<br />

hier nie <strong>der</strong> natürliche Mensch (<strong>der</strong> wäre ja böse), son<strong>der</strong>n stets ein bestimmter,<br />

festgelegter Charaktertyp, eine durch Moral, Erziehung und feste soziale<br />

Normen künstlich nach einem theoretischen Entwurf erzeugte synthetische<br />

Persönlichkeit. Dem Individuum bleibt keine Alternative, es muß sich diesem<br />

Lebensziel anpassen. Die angeborene böse Natur wird ersetzt durch die eigentliche,<br />

künstliche zweite Natur, die Kultur. So entsteht <strong>der</strong> frohe und aufbaubegeisterte,<br />

soldatisch straffe und harte, politisch zuverlässige, disziplinierte,<br />

kollektivistische und proletarische neue Sowjetmensch bei Makarenko,<br />

und <strong>der</strong> kultivierte, selbstbeherrschte, pflichtorientierte, moralische, gewissensstarke,<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft und ihren Führern gehorsam und altruistisch<br />

dienende Charakter bei Foerster.<br />

Das Leben des Menschen läßt sich dann einteilen in eine überwachte Vorbereitungsphase<br />

(Kindheit, Jugend), in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch seine böse Natur noch<br />

nicht durch Kultur und Erziehung überwunden hat, und in das eigentliche Leben<br />

als erzogener, kultivierter, fertiger guter Mensch danach.<br />

Ganz <strong>aus</strong>drücklich wird eine solche Konzeption vom führenden Vertreter<br />

<strong>der</strong> Selbstregierung in Deutschland vertreten, nämlich dem katholischen Moralpädagogen<br />

F. W. Foerster, dessen Vorstellungen später (Kapitel 5) genauer<br />

erläutert werden. Die von Mannschatz (1953) zusammengefassten Ansichten<br />

des führenden Sowjetpädagogen A. S. Makarenko haben übrigens eine verblüffende<br />

Ähnlichkeit damit, sofern man von den religiös- ideologischen<br />

Formulierungen absieht. (Siehe Kapitel 20.7. und 20.8.)<br />

Weniger genau (mangels theoretischer Ausführungen) läßt sich diese moralisierende<br />

Sichtweise bei den von den katholischen Priestern Flanagan 47 und<br />

Silva geleiteten <strong>Kin<strong>der</strong>republiken</strong> feststellen, wohl aber im Prinzip<br />

47 Flanagans Motto Einen schlechten Jungen gibt es nicht spricht nicht dagegen, denn es<br />

bezieht sich lediglich auf junge, prägbare Menschen. Über erwachsene Menschen urteilte<br />

Flanagan grundsätzlich an<strong>der</strong>s und äußerst hart (Todesstrafe etc.).<br />

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