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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Thematisierung einfacher Tatsachen unmöglich: Die Probleme <strong>der</strong> Organisation<br />

des gemeinschaftlichen Alltags (das Hauptthema <strong>der</strong> Selbstregierung<br />

/ Selbstverwaltung an<strong>der</strong>er <strong>Kin<strong>der</strong>republiken</strong>) können hier kein öffentliches<br />

Thema sein! Der öffentliche Diskurs kann sich nur noch auf Themen<br />

<strong>der</strong> Ideologie erstrecken.<br />

Es gibt auch keine garantierten individuellen Grundrechte, <strong>der</strong> einzelne ist<br />

<strong>der</strong> Regierung und dem Pater gegenüber rechtlos. Da ist es riskant, sich mit<br />

<strong>der</strong> Verfechtung einer eigenen Meinung öffentlich zu exponieren. Demokratie<br />

kann sich so nicht entfalten.<br />

Es gibt nach dieser Ideologie keine Privatheit und keine Privatbereiche,<br />

keinen Privatbesitz und keine private Freundschaft: alles ist prinzipiell gemeinschaftlich<br />

und öffentlich und geschieht unter dem Druck <strong>der</strong> Ideologie.<br />

Deshalb versuchen viele, sich private Rückzugsmöglichkeiten, etwas Intimität<br />

und Geborgenheit zu schaffen, indem sie ihre möglichst fensterlosen Zimmer<br />

sofort von innen verriegeln und auf Klopfen nicht öffnen (auch den Mitbewohnern<br />

nicht), um wenigstens kurz Ruhe zu haben und allein sein zu können.<br />

„Ein an<strong>der</strong>es Problem, das vor allem unter den älteren in Benposta auftaucht, ist <strong>der</strong><br />

Mangel an Intimität. Wenn jemand den Druck des Kollektivs nicht mehr ertragen<br />

kann, geht er für einige Zeit zum Kloster San Pedro de Rocas, wo er dann Gelegenheit<br />

hat, allein zu sein.“ (Sana 1979: 49)<br />

Sana (1979: 44) schreibt von einer vollständigen sexuellen Freiheit und Freimütigkeit<br />

in Bemposta bei völlig freiwilliger sexueller Enthaltsamkeit aller<br />

Jugendlichen. Die Kritiker dagegen beklagen, Sexualität sei in Bemposta ein<br />

Tabu, über das kaum offen gesprochen werde. Die häufigen Äußerungen zur<br />

Ideologie geben vor allem eine ultrakonservativ-katholische Sexualauffassung<br />

wie<strong>der</strong>. Auch Gleichberechtigung <strong>der</strong> Geschlechter findet praktisch nicht<br />

statt.<br />

„Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist ebenfalls gemeinschaftlich. Bemposta<br />

ist gegen Paare. Alle sollen Freunde aller sein.“ (Poschkamp u. Schny<strong>der</strong> 1985: 60)<br />

Trotzdem galt Bemposta schon allein wegen <strong>der</strong> in Spanien verpönten Koedukation<br />

vielfach von vornherein als eine Art Bordell.<br />

23.4.5. Pädagogische Folgen: Überfor<strong>der</strong>ung, Korruption,<br />

Unmöglichkeit von Selbstregierung<br />

Die schon beschriebenen ärmlichen Lebensbedingungen könnten ohne die<br />

pädagogische Unfähigkeit und ideologischen Zusatzprobleme durch<strong>aus</strong> ak-<br />

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