Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

den hart kritisiert, solange, bis der Schuldige sich freiwillig zur wahren Lehre
bekennt. Wer sich offen und hartnäckig widersetzt, muß Bemposta im Streit
verlassen. Kaum jemand widerspricht ein zweites Mal.
Das Große Abenteuer 666 ist eine freiwillige Veranstaltung für die enger
mit dem Pater verbundenen Jungen, die größtenteils aus solchen monatelangen
Ideologiekursen im abgelegenen Kloster San Pedro de Rocas besteht, mit
Mönchsleben, der Steigerung der Ideologiekurse und Gerichten über die Gesinnung.
Darüber hinausgehende (geplante) Stationen fielen in der Regel aus.
Das große Abenteuer endet mit der Ernennung zum Ehrenbürger. Für diese
(Ehren-) Bürgerschaft, die erst das passive Wahlrecht gibt, ist der Ideologiekurs
mit Prüfung sowie ein Treueid auf die Ideologie die Voraussetzung.
Auch innerhalb der Regierungsmannschaft werden Gesinnungsgerichte (bzw.
brüderliche Gespräche zur Erkennung eigener Fehler) abgehalten.
Der nach dem Pater strikteste gläubigste Anhänger, Hauptvertreter und
Demagoge der Ideologie war sein Neffe Joaco Silva, Pocholos und Alziras
ältester Sohn, welcher als einziges Mitglied der jüngeren Generation der
Familie Silva bedeutende Ämter in Bemposta innehatte und von der Familie
wohl als Nachfolger des Paters vorgesehen war, weshalb er von den Jugendlichen
häufig als Herrensohn und verlängerter Arm seiner Eltern angesehen
wurde. Er sah die allgemeine Krise Bempostas durch einen Mangel an bempostanischer
Gesinnung und durch den Einfluß der bösen Außenwelt bedingt.
Als Gesinnungsminister leitete er die Verhöre bei Diebstählen, organisierte
aber auch die brüderlichen Gespräche zur Erkennung eigener Fehler der
Regierungsmitglieder. Ansonsten schien selbst der Regierung, die nur aus linientreuen
Bempostanern bestehen konnte, die Ideologie eigentlich egal zu
sein.
Obwohl der Pater geachtet und geliebt wird, breitet sich bei seiner Ankunft
(nach Zirkustourneen) Furcht unter den Kindern aus: Playboyfotos, Pornohefte,
verbotene Bücher (Nietzsche) und Glücksspiele verschwinden. Denn Pater
Silva hält Ideologiekurse und ein nichtöffentliches Gericht über unbempostanische
Elemente die für ihre Ordnungsübertretungen, mangelnde Einsatzfreude,
Diebstähle, Homosexualität etc. den Hinauswurf verdient haben.
Silva selbst leitet das Verhör, bei dem sich neben geschickter Argumentation
besonders der totale Kniefall vor der Ideologie Bempostas und vor seiner
Person günstig auswirken, jegliche Kritik aber dabei sehr gefährlich ist.
666 Das Große Abenteuer ist „eine Reihe von Bewährungsproben, die, an ein Noviziat eines
katholischen Priesters erinnernd, der Verinnerlichung der Ideologie und Mystik Bempostas
dienen.“ (Poschkamp u. Schnyder 1985: 56)
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