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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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und Willkür des Einzelnen an<strong>der</strong>erseits erklären. Eines seiner Bücher war daher<br />

Freiheit, nicht Zügellosigkeit (Freedom, not License) betitelt.<br />

Die demokratische Selbstregierung soll sowohl die anarchische individuelle<br />

Willkür und das Chaos vermeiden (Selbst-Regierung), als auch die despotische<br />

Willkür eines einzelnen Autokraten <strong>aus</strong>schließen (Selbst-Regierung).<br />

Die gemeinschaftliche Regelsetzung o<strong>der</strong> Gesetzgebung per Mehrheitsbeschluß<br />

und die Einsetzung von Gericht und Verwaltungsbehörden soll beide<br />

Formen <strong>der</strong> Willkürherrschaft <strong>aus</strong>schließen und die Herrschaft einer frei gewählten<br />

rechtlichen Ordnung garantieren. Es geht hier gerade nicht um<br />

laissez-faire, das hemmungslose Ausleben jeglicher momentanen individuellen<br />

Laune, son<strong>der</strong>n um demokratische Ordnung und demokratische Erziehung.<br />

(Daß beides von Kritikern häufig gleichgesetzt wird, ist gerade in demokratisch<br />

regierten Län<strong>der</strong>n bemerkenswert!)<br />

Bernstein (1968a: 38; ganz ähnlich auch Rollin 1992: 53) beschreibt seine<br />

Verwun<strong>der</strong>ung, als er in Summerhill, <strong>der</strong> freiesten Schule <strong>der</strong> Welt, die große<br />

mit Vorschriften, Regeln und Strafandrohungen übersäte Anschlagtafel erblickte.<br />

Ein Schüler erklärte ihm sinngemäß etwa: ‚Es gibt nirgendwo mehr<br />

Vorschriften als in einer freien Schule. Wir machen sie alle selbst.‘<br />

Gerade die demokratische Regierungsform benötigt viele Vorschriften,<br />

denn hier fehlt <strong>der</strong> (u. U. weise) Autokrat, <strong>der</strong> im Einzelfall ohne feste Regel<br />

einfach Befehle geben kann.<br />

4.2.2. Volle Souveränität des Kin<strong>der</strong>- und Jugendstaates<br />

Begriffe wie Selbstregierung o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>republik rufen leicht die Illusion<br />

von völlig unabhängigen Jugendstaaten und autonomen idealen Jugendwelten<br />

hervor. Aus <strong>der</strong> Analogie zwischen Heim und Republik wird dabei eine<br />

Gleichsetzung, die die Unterschiede zwischen den beiden leugnet. Man glaubt<br />

dann, daß ein souveräner Kin<strong>der</strong>staat ohne Erwachseneneingriffe funktionieren<br />

kann, und daß er nur und gerade dann funktioniert, wenn Erwachsene sich<br />

fernhalten.<br />

Dies läßt sich zumindest in den theoretischen Äußerungen feststellen bei<br />

den Junior Republics, bei <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>republik Bemposta und dem Kin<strong>der</strong>dorf<br />

in Belgrad (vgl. Kapitel 10, 23, 22).<br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendrepubliken sind selbstverständlich keine ganz normalen<br />

und souveränen Kin<strong>der</strong>staaten o<strong>der</strong> Gemeinden 40 . Stattdessen sind die Republiken<br />

höchst ungewöhnliche Erziehungseinrichtungen für meist ver-<br />

40 Die Anerkennung von Boys Town als Gemeinde ist etwas an<strong>der</strong>es und hat hiermit <strong>nichts</strong><br />

zu tun!<br />

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