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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Die Abstimmungsprinzipien liegen offenbar nicht fest, insbeson<strong>der</strong>e das<br />

Stimmrecht <strong>der</strong> Kleinen war umstritten und wurde nach heißer Diskussion <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> (unter Leitung Marias) mit dem Gesinnungsminister und Wahlleiter,<br />

<strong>der</strong> höchstens einigen von ihm selbst als verantwortungsbewußt ermittelten<br />

Kin<strong>der</strong>n das Wahlrecht geben wollte, erstritten. Schließlich erhielten alle<br />

Kleinen durch die Abstimmung <strong>der</strong> Vollversammlung das Wahlrecht. Für Urs<br />

Schny<strong>der</strong> war das nach fast einem Jahr Aufenthalt in Bemposta die erste Abstimmung<br />

in einer Vollversammlung überhaupt. Die Regierung (!) gewährte<br />

auch einigen Erwachsenen das Wahlrecht, so wie sie auch bestimmten <strong>aus</strong>gewählten<br />

Bürgern das Wahlrecht bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Regierung gewähren und<br />

an<strong>der</strong>en verweigern wollte.<br />

Als zwei <strong>der</strong> vier Kandidaten klare Favoriten waren, schimpfte Pocholo erneut<br />

darüber, daß die restlichen Kandidaten nicht mehr unterstützt würden!<br />

Schließlich siegte Dario, doch als er nach 14 Tagen keine Besserung <strong>der</strong> Zustände<br />

in Bemposta sah, trat er resigniert zurück. Die alte (ursprünglich zurückgetretene)<br />

Regierung übernahm offenbar formlos und ohne Wahl wie<strong>der</strong><br />

das Amt.<br />

23.4.2. Versuch <strong>der</strong> Aufklärung eines Diebstahls<br />

„Es gab Zeiten, in denen in Bemposta Muchachos patroullierten, die einen Helm mit<br />

<strong>der</strong> Aufschrift ‚P‘ wie Polizei trugen. Ihr Vorbild war die franquistische Polizei. Eine<br />

Zeit lang hatten wir in Bemposta gar einen Geheimdienst, <strong>der</strong> subversive Elemente im<br />

Volk aufzuspüren hatte.“ (Poschkamp u. Schny<strong>der</strong> 1985: 124)<br />

Nach dem zweiten großen Gelddiebstahl innerhalb weniger Wochen veranstaltete<br />

die Regierung Bempostas im November 1978 eine großangelegte<br />

Razzia in allen Unterkünften. Am nächsten Morgen war Appell in <strong>der</strong> Versammlungshalle,<br />

wo <strong>der</strong> erwachsene Verwalter Milocho verkündete, daß nun<br />

solange eine Dauerversammlung abgehalten werde, bis <strong>der</strong> Dieb gefunden sei.<br />

Nur zum Essen und Schlafen wurde die Versammlung unterbrochen. Die Regierung<br />

stellte eine knüppelbewaffnete Polizeitruppe zur Abriegelung des<br />

Korridors auf und zog sich dann zum Verhör <strong>der</strong> vierzehn Hauptverdächtigen<br />

zurück.<br />

„Das Klima ist jetzt äußerst repressiv. In <strong>der</strong> Kantine muß man in einer geraden Einerkolonne<br />

anstehen, ansonsten kriegt man Schläge. Als ich meine kleine Streudose<br />

Salz <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Hosentasche ziehe und sie wie gewohnt auf das Tablett stelle, will sie <strong>der</strong><br />

eigens ernannte Kantinenchef konfiszieren: ‚Das geht nicht‘. Warum, weiß er selber<br />

nicht. Da ich mir das nicht bieten lasse, will er den Vorfall <strong>der</strong> Regierung melden.<br />

Fünf Minuten später hat er aber das Ganze bereits wie<strong>der</strong> vergessen. Je<strong>der</strong> verdächtigt<br />

jetzt jeden. <strong>Wer</strong> sich nicht völlig konform verhält, gilt sofort als <strong>der</strong><br />

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