Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

23.1.5. Besucher
15.000 (Zimmer 1981: 34) oder 20.000 (Sana 1979: 32) Touristen sollen
Bemposta angeblich jährlich besuchen.
„Wenn dann, wie im Sommer 1974 z. B. deutsche Pädagogikstudenten die Kinderstadt
besuchen, werden sie der spanischen Presse als ‚pädagogische, internationale
Kapazitäten‘ vorgestellt, die einen Pädagogikkongreß abhielten. Ihre Zahl wurde damals
mit einhundertfünfzig angegeben, die aus fünf verschiedenen Ländern kämen.“
(Poschkamp u. Schnyder 1985: 93 f.)
Es kommen „Etwa dreihundert spanische Touristen jährlich, meist in organisierten
Gruppen“ ... „Problematisch sind die Touristen aus dem ‚richtigen‘ Ausland. 1978/ 79
sind es ein- bis maximal zweitausend pro Jahr gewesen, fast ausschließlich Deutsche,
was wohl Möbius und Sana zu verdanken sein dürfte.“ (Poschkamp u. Schnyder
1984: 98 f.)
Es sind mehrheitlich nicht Spanisch sprechende deutsche Pädagogen und Studenten,
die das von Möbius beschriebene alternativpädagogische Paradies sehen
wollen:
„Wenn sie ein Häuschen mit der Aufschrift ‚Banco‘ sehen, in dem ein gelangweilter
Muchacho Coronas gegen Peseten wechselt, glauben sie bereits, unser Finanzsystem
funktioniere so, wie es bei Möbius beschrieben ist. Wenn sie in der Töpferei zwei,
drei Muchachos sehen, die Handlangerdienste verrichten, so interpretieren sie, daß
alle Muchachos von Zeit zu Zeit die so kreative Töpferkunst als Ausgleich betreiben.“
(Poschkamp u. Schnyder 1985: 99)
Die Jugendlichen lassen sich gern bewundern und machen sich einen Spaß
daraus, Bemposta entsprechend darzustellen. Altersangaben stimmen nie:
„Für einen Muchacho ist es Routine, daß er vor dem Mikrofon oder auf die Frage eines
Touristen immer einige Jahre jünger ist als in seinem Paß steht.“ (Poschkamp u.
Schnyder 1985: 95, mit Beispielen) „Es ist schwer zu sagen, wieviele Touristen den
Schwindel nicht merken“ (ebd: 100).
Für einen japanischen Fernsehfilm über Bemposta wurde Bemposta gezielt
auf Hochglanz gebracht und ganze Schulklassen aus dem Nachbardorf herangebracht,
um die behauptete Einwohnerzahl glaubhaft zu machen.
Pater Silva, der Gründer und Leiter Bempostas, beschreibt Bemposta als
funktionierende Realität, und Möbius und Sana übernahmen diese Selbstdarstellungen
der Ideen des Paters weitgehend als pure Wahrheit. Poschkamp u.
Schnyder (1985) gaben erstmals eine - sehr glaubhafte - Darstellung aus der
Sicht derjenigen, die dort alltäglich gelebt hatten und teilweise wegen Kritik
hinausgeworfen wurden. Danach ist Bemposta großenteils auf Schwindel aufgebaut,
kaum ein Punkt entspricht auch nur annähernd der offiziellen Darstellung.
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