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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Pater Silva scheint grundlegende Probleme gelöst zu haben: die völlig freie<br />

Selbsterziehung <strong>der</strong> Jugendlichen und die Finanzierung 637 dieser Erziehung<br />

durch die Jugendlichen selbst. Damit wäre er tatsächlich <strong>der</strong> bedeutendste lebende<br />

Sozialpädagoge 638 . Es klingt fast zu schön um wahr zu sein. Und eben<br />

dies ist <strong>der</strong> wunde Punkt: Der größte Teil <strong>der</strong> Bemposta-Beschreibungen<br />

ist unwahr, ist schlichter Betrug o<strong>der</strong>, freundlicher formuliert, bestenfalls<br />

Zukunftsphantasterei.<br />

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Infolge mangeln<strong>der</strong> und chaotischer<br />

Finanzierung, verdrehter Ideologie und pädagogischer Unfähigkeit funktioniert<br />

in Bemposta we<strong>der</strong> eine Selbstregierung noch sonst irgendetwas. Zum<br />

Ersatz wird <strong>der</strong> Öffentlichkeit eine Scheinwelt vorgespiegelt.<br />

International wurde Bemposta vor allem in Deutschland sehr bekannt durch<br />

die beiden Foto-Bücher von Möbius ( 1 1973, 2 1982; auch in Amerika, Frankreich<br />

und <strong>der</strong> Schweiz erschienen) und Sana (1979). Beide Autoren lernten<br />

Bemposta nur flüchtig kennen und hielten sich dann an die offizielle Darstellung,<br />

wie sie ihnen von <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>republik erzählt wurde.<br />

Die weitere deutschsprachige Bemposta-Literatur 639 stützt sich dann wesentlich<br />

auf diese <strong>Wer</strong>ke, vor allem auf Möbius (1981).<br />

Ein 1985 von Poschkamp und Schny<strong>der</strong> her<strong>aus</strong>gegebenes Buch stellt Bemposta<br />

dagegen sehr viel realistischer, kenntnisreicher 640 und kritischer dar.<br />

Eberhard Möbius hatte 1972 die Deutschlandtournee des Kin<strong>der</strong>zirkus organisiert<br />

und zehn Wochen lang begleitet. Im Juli 1972 besuchte er dann vier<br />

Wochen lang Bemposta und schrieb daraufhin sein Buch. Es enthält<br />

637 Die Finanzierung <strong>der</strong> Erziehung durch die erzogenen Heimkin<strong>der</strong> selbst ist ein alter<br />

Traum in <strong>der</strong> Heimerziehung. Auch Makarenko erweckte den Eindruck, ihm sei eine solche<br />

Finanzierung gelungen (was ich bezweifle!). Pestalozzi und Fellenberg haben solche<br />

Selbstfinanzierung vergeblich versucht.<br />

638 Prof. Struck im Vorwort zu Möbius (1981: 9).<br />

639 Neben Möbius (1973(1), 1981(2)) und Sana (1979) sowie dem einzig fundierten kritischen<br />

Buch von Poschkamp u. Schny<strong>der</strong> (1985) sind einige Aufsätze erschienen: Fitz-<br />

Radl (1979), van Dick u. Plangger (1981) van Dick u. Poschkamp (1983), Wasmuth<br />

(1980), Zimmer (1981). Eine Darstellung findet sich auch bei Knauer, Krohn u. Höner<br />

(1982).<br />

640 Meine Kritik an Bemposta stützt sich - neben einigen eigene Überlegungen - auf die<br />

Darstellungen in diesem Buch. Das Buch enthält: 1.) einen Bericht von Max Keller, <strong>der</strong><br />

ein Jahr lang als Englischlehrer in Bemposta und im Zirkus arbeitete, 2.) einen <strong>aus</strong>führlichen<br />

Erfahrungsbericht von Urs Schny<strong>der</strong>, <strong>der</strong> als Englischlehrer und erwachsener<br />

Muchacho ein Jahr in Bemposta lebte und es oft besucht hat, 3.) einen Bericht des Organisators<br />

<strong>der</strong> 1983er Zirkustournee durch Deutschland und Begrün<strong>der</strong>s des Freundeskreis<br />

Bemposta, Peter Poschkamp, 4.) das Tagebuch einer deutschen Gruppe, die nach<br />

mehreren Besuchen beabsichtigte, eine Republik in <strong>der</strong> Bundesrepublik zu gründen, und<br />

die ein halbes Jahr in Bemposta lebte, 5.) Interviews mit zehn Jugendlichen, die zwischen<br />

6 und 14 Jahre lang (zusammen 103 Jahre) in Bemposta lebten und dort bedeutende<br />

Ämter bekleideten.<br />

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