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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Wie nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten, waren die von den Jugendlichen gereinigten<br />

Gebäude anfangs dreckig, ihre Kleidung zerlumpt und <strong>der</strong> Ton ihrer Versammlungen<br />

war ebenso demagogisch wie bei den Erwachsenen-<br />

Wahlversammlungen. Aber alles dies än<strong>der</strong>te sich langsam.<br />

„Nicht durch gewaltsames Eingreifen von Lehrern und Erziehern, son<strong>der</strong>n dadurch,<br />

daß wir diesen Jugendlichen die Möglichkeit einer freien Selbstentwicklung gaben.<br />

Wir glaubten unbedingt an die sozialen Kräfte, die in jedem Kinde schlummern und<br />

gaben Gelegenheit, diese Kräfte zu gebrauchen. Sie gaben ihrer Gemeinschaft allein<br />

die Gesetze, die notwendig waren, um das soziale Gefüge ihrer Gemeinschaft am Leben<br />

zu erhalten und es zu einer höheren Stufe zu entwickeln.“ (Lehmann 1926: 29)<br />

Die Jugendlichen waren ungeheuer stolz auf die eigene Freiheit und Selbständigkeit.<br />

Versuche, den Arbeitslohn privat zu behalten, kamen kaum vor,<br />

das Geld floß sicher in die Gemeinschaftskassen. Ein Kollektiv wollte sogar<br />

ein Mitglied auf eigene Kosten zum Gymnasium schicken. Die Jungen und<br />

Mädchen drängten sich so sehr nach <strong>der</strong> Arbeit, daß ein Nachtarbeitsverbot<br />

erlassen werden mußte. Sie organisierten auch ein eigenes Gericht.<br />

„In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß die Strafe des Ausschlusses vom Kin<strong>der</strong>h<strong>aus</strong><br />

eine Maßnahme war, über die die Jungen selbst das Recht <strong>der</strong> Entscheidung<br />

hatten. - Wir haben uns oft gefragt, ob wir in <strong>der</strong> Übertragung dieser verantwortlichen<br />

Entscheidung an die Jugendlichen nicht zu weit gegangen waren. Zuerst mußte es so<br />

scheinen.“ (Lehmann 1926: 27)<br />

Es gab Jugendliche mit deutlich negativem Einfluß, die zweifellos besser entfernt<br />

worden wären, und die Jugendlichen hatten dies ebenso begriffen wie<br />

die Erzieher. Doch die Solidaritätsgefühle untereinan<strong>der</strong> waren noch viel zu<br />

stark, um selbst den Ausschluß zu bewirken, und die gewaltsame Entfernung<br />

durch Erzieher hätte das gerade sich anbahnende Vertrauensverhältnis zwischen<br />

Erziehern und Jugendlichen irreparabel zerstört. Die Erzieher setzten<br />

auf Geduld und Gewaltfreiheit, und in Laufe <strong>der</strong> Zeit verschwanden die Störenfriede<br />

o<strong>der</strong> än<strong>der</strong>ten sich.<br />

Nach einigen weiteren Zwischenstufen, die hier nicht wie<strong>der</strong>gegeben werden<br />

müssen, steigerte sich die Anzahl <strong>der</strong> in den zionistischen Kwuzoth-<br />

Gruppen organisierten Jugendlichen langsam von einer verschwindenden<br />

Min<strong>der</strong>heit auf die Hälfte <strong>der</strong> Heimbewohner. Sie hatten die (im Jahr darauf<br />

verwirklichte) Absicht, als Gruppe in Palästina zu siedeln und eine Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendsiedlung zu gründen: das spätere Ben Shemen.<br />

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