Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

sten Versuche sein, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung der Kinder zu
entwickeln. Dieses (möglicherweise einzige) Kinderdorf in Jugoslawien war
vermutlich das nachfolgend beschriebene bei Belgrad.
22.10.1. Kinderrepublik bei Belgrad
Eine anscheinend betont von der Erwachsenenwelt völlig abgetrennte große
selbstregierte Kinderrepublik mit 2000 Jugendlichen bei Belgrad, die von
Erwachsenen nicht betreten werden darf und die niemandem außer dem Staat
verantwortlich ist, wird auch bei Lenhartz (1949: 77) erwähnt und bei Zielinski
(1950: 77 f.) kurz beschrieben:
„Das ganze Dorf erhält eine bestimmte Lebensmittelzuteilung, die unter die einzelnen
Häuser aufgeteilt wird. Die Kinder besorgen selbständig die Küche und den ganzen
Haushalt, einschliesslich des Gartens, der jedem Haus zugeteilt ist. Sie teilen wöchentlich
die Arbeiten unter sich auf und bestimmen auch wöchentlich ihren Schulplan.
Das Schulzimmer ist ein grosser Raum, der zugleich als Tages- und Spielraum
dient. Die Kinder aller Häuser kommen immer am Sonntag Vormittag zusammen. Sie
besprechen gemeinsam die vergangene Woche, ihren Lehrplan, üben Kritik an ihren
Lehrern und können sie versetzen oder überhaupt aus dem Kinderdorf wählen, aber
erst, wenn sie bereits in jedem Haus einmal während einer Woche amteten, sodass alle
Kinder des ganzen Dorfes ihr Urteil abgeben können... Jeden Sonntag werden 10
Kinder ausgewählt, die die Aufsicht über das Dorf übernehmen... Jede Woche einmal
werden gemeinsame Freizeitstunden verbracht. Die Kinder wählen unter sich ein
‚Kulturkomitee‘ für ein halbes Jahr... Sie besitzen eine eigene Theatergruppe, die ihrerseits
eine spezielle Ausbildung geniesst. Dann hören sie Vorträge... Mit Geld haben
die Kinder gar nichts zu tun. Sie sind nur verantwortlich für ihre Güter, für deren gerechte
Verteilung und sorgfältige Behandlung... Sie sind niemandem außer dem Staat
verantwortlich, einen Menschen über sich kennen und anerkennen sie nicht innerhalb
ihres Dorfes. Sie sind aber auch bereit, viel Verantwortung zu tragen und es ist erstaunlich,
mit welcher Sorgfalt und Achtung vor Menschen und Gütern die Kinder ihr
Reich verwalten. Es war ausserordentlich eindrücklich, einige Stunden in diesem
Reich zu verbringen. Wenn die Kinder das 15. Lebensjahr beschritten haben, kommen
sie aus der Schule und treten eine Lehre an oder besuchen höhere Lehranstalten. Darüber
bestimmen der Kinderrat zusammen mit den Lehrern; sie nennen zwar niemanden
Lehrer, sondern immer ‚Vater‘ und ‚Mutter‘.“ (Hagenauer 626 , zitiert in Zielinski
1950: 78, Auslassungen dort)
626 Bericht von J. Hagenauer vom Internationalen Zivildienst für das Bayerische Jugendsozialwerk-Archiv
über ein Belgrader Kinderdorf. So zitiert bei Zielinski (1950: 78) unter
Verweis auf das (nun unauffindbare) Bayerische Jugendsozialwerk-Archiv, München 27,
Holbeinstraße 11. Ich gebe hier die von Zielinski zitierte Passage vollständig wieder.
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