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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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(Makarenko 1974: 79; vgl. 1970: 396): wer Einspruch erhob und sich dann<br />

dafür nicht vor <strong>der</strong> Vollversammlung rechtfertigte, wurde fristlos gekündigt.<br />

Erzieher wurden wie Zöglinge behandelt und ebenfalls erzogen.<br />

Die Kolonie bzw. Kommune kümmerte sich selbstherrlich nicht um die offiziellen<br />

Beschränkungen, denen sie unterlag, bzw. um legitime und gesetzliche<br />

Rechte an<strong>der</strong>er.<br />

Makarenko strebte mit seiner Selbstverwaltung in gar keiner Weise Demokratie<br />

an. Eine öffentliche Meinung konnte er sich anscheinend nur als entwe<strong>der</strong><br />

gezielt gelenkt / manipuliert o<strong>der</strong> aber als chaotisch vorstellen.<br />

Im Gegensatz zur offiziellen sowjetischen Linie und dem Gesetz über Jugendarbeitskommunen,<br />

das die Vollversammlung als oberstes Beschlußorgan<br />

vorschrieb, mißtraute Makarenko den massensuggestiv leicht beeinflussbaren,<br />

von <strong>der</strong> momentanen Stimmung abhängigen Massen-Entscheidungen, die<br />

schon im nächsten Moment nicht mehr gelten:<br />

„Der Wille <strong>der</strong> Allgemeinheit offenbart sich nicht so leicht. Versammelt man 120<br />

Kin<strong>der</strong> in einer Vollversammlung, so können sie jeden beliebigen Beschluß fassen, es<br />

kommt nur darauf an, wer sie beeinflusst. Unsere Pädagogen leisten sich sehr oft dieses<br />

Kunststückchen: Nach einer zündenden und überzeugenden Rede des Erziehers<br />

fassen die Kin<strong>der</strong> irgendeinen Beschluß. Gibt es hier überhaupt einen Willen? Natürlich<br />

nicht.“ (Makarenko 1970: 765)<br />

Die Vertreter <strong>der</strong> Demokratie waren für Makarenko lediglich ungewaschene<br />

kleine Bürschchen und Bengel sowie einige an Privatheit interessierte schlappe<br />

sogenannte Intelligenzler, die nicht ernst zu nehmen sind. Demokratie und<br />

wirklich freie Wahl betrachtete er als Laschheit, Schwäche, Schmutz und<br />

Zerstörung, Mißachtung von Tradition und Disziplin, und dies mußte von<br />

<strong>aus</strong>gezeichneten und starken Männern unterbunden werden.<br />

„Endlich hatte ich her<strong>aus</strong>, was mir nicht gefiel. Es war das deutlich sich abzeichnende<br />

Bestreben, allein zu spielen, sich abzuson<strong>der</strong>n und sich im eigenen Winkel zu schaffen<br />

zu machen.“ ...<br />

„Am ersten Oktober 553 fanden die Neuwahlen zum Rat <strong>der</strong> Kommandeure statt.<br />

Die Ergebnisse schienen mir symptomatisch. Der alte Rat, eine Gemeinschaft von<br />

energischen, munteren und schlauen Kameraden, die die Fahrt in die Krim und die<br />

Eröffnung <strong>der</strong> Arbeiterfakultät durchgesetzt hatten, schied fast völlig <strong>aus</strong>. An seine<br />

Stelle trat eine neue Gruppe, die größtenteils <strong>aus</strong> sogenannten Intelligenzlern bestand,<br />

Menschen, die sich dem Buch, dem Literaturzirkel und dem Laienspiel verschrieben<br />

hatten. Die alten Kommandeure stellten ihre Kommandostellen freimütig den Vertretern<br />

des demokratischen Prinzips zur Verfügung.“ ...<br />

„Das Haupt dieser Gruppe war Doroschenko, <strong>der</strong> Sekretär des Rates <strong>der</strong> Kommandeure,<br />

bei dessen Wahl allen klar war, daß man ihn eigens <strong>aus</strong> dem Grunde<br />

553 1930, ein halbes Jahr nach Einführung von Leistungsprinzip und Leistungslohn, was zu<br />

privatem Wohlstand (Radios, Aquarien) und Rückzug ins Private geführt hatte.<br />

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