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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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fertigung. Kontrolle und Druck wurde so nicht primär durch Erzieher, son<strong>der</strong>n<br />

durch eine Öffentlichkeit <strong>aus</strong>geübt.<br />

20.8.2. Charaktererziehung und öffentliche Meinung<br />

Die pädagogische För<strong>der</strong>ung des Entstehens einer öffentlichen Meinung<br />

überhaupt ist die Grundlage aller Konzepte von Selbstverwaltung, Selbstregierung<br />

und Kollektiverziehung.<br />

Während die psychoanalytisch orientierten Selbstregierungspraktiker es<br />

grundsätzlich (mit wenigen wohldefinierten und wohlbegründeten Ausnahmen)<br />

ablehnen, gezielt als Erzieher Einfluß auf die Inhalte <strong>der</strong> öffentliche<br />

Meinung zu nehmen, war die Nutzung des eigenen Einflusses auf die öffentliche<br />

Meinung bei Makarenko (ebenso bei Foerster und den School-Cities) die<br />

Hauptaufgabe des Erziehers.<br />

Makarenko ging es um Charaktererziehung. Er hatte feste Vorstellungen<br />

davon, was ein guter, edler, wertvoller Charakter ist, und was ein Schädling<br />

o<strong>der</strong> schädliches Element. Aus seinen <strong>Wer</strong>tungen machte er keinen Hehl, und<br />

je<strong>der</strong> war verpflichtet, ein guter Mensch zu werden. Erziehung hieß für ihn,<br />

an<strong>der</strong>en die Perspektiven vorzugeben und <strong>aus</strong>zugestalten, allgemeine Vorstellungen<br />

zu verankern; und nicht, im Einzelfall selber das richtige Verhalten<br />

zu erzwingen.<br />

Durch massiv vertretene Moralvorstellungen gab er <strong>der</strong> öffentlichen Meinung<br />

den Rahmen vor, <strong>aus</strong> dem sie nicht her<strong>aus</strong> konnte. Ein edler, wertvoller<br />

Charakter im Sinne Makarenkos mußte straff, soldatisch, kämpferisch, heroisch,<br />

aktiv, fleißig, hilfsbereit, kameradschaftlich, kollektivbewußt, diszipliniert,<br />

stets fröhlich optimistisch, nie pessimistisch sein, ein guter Bolschewik,<br />

Komsomolze und Sowjetpatriot. Er durfte niemals jammern und mußte so <strong>der</strong><br />

Kolonie und seiner Abteilung stets Ehre und nie Schande machen.<br />

Alles, was diesem Moraldogma wi<strong>der</strong>sprach, wurde lächerlich gemacht, in<br />

Makarenkos Darstellung vor allem von älteren Jugendlichen, vom Kern, <strong>der</strong><br />

voll auf Makarenkos Linie lag. Es war kaum möglich, sich dem durch das<br />

höhnische Gelächter <strong>der</strong> Kameraden bewirkten Meinungsdruck und den vielfältig<br />

eingestreuten höchst glaubhaften Drohungen <strong>der</strong> Kameraden zu entziehen.<br />

So unter Druck hatte <strong>der</strong> einzelne Jugendliche keine an<strong>der</strong>e Wahl - und war<br />

sich dessen vielleicht noch nicht einmal bewußt -, als sich bei einer Diskussion<br />

o<strong>der</strong> Abstimmung im Sinne dieser vorgegebenen Moral unter-Druckfreiwillig,<br />

fröhlich und heldenhaft für den härteren, arbeitsamen, dem Kollektiv<br />

und dem Sozialismus dienenden Vorschlag zu entscheiden und ar-<br />

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